Self-Publishing via Amazon – Sehen auch deutsche Autoren hier eine Chance?

Amazon will höher hinaus. Nachdem sich das 1994 gegründete Unternehmen in den USA bereits einen höheren Stellenwert als die Händler errungen hat, knöpft sich Amazon nun auch die Buchproduzenten vor. Sie wollen sich nicht auf einen Branchenzweig konzentrieren. Nein, sie wollen Verlag und Händler in einem sein. Wie deutsche Autoren diese Entwicklung sehen haben uns exemplarisch Thomas Feibel,  etablierter Kinderbuchautor  und Pia Ziefle, Neueinsteigerin am Markt im Bereich Belletristik, beantwortet. 

Amazon bietet Autoren die Möglichkeit ihre Werke selbst ohne die Unterstützung eines Verlages zu veröffentlichen. Denken Sie, dass dies eine ernsthafte Konkurrenz für momentane Verlage werden könnte?

http://feibel.de/fileadmin/elternseite/images_feibel/presse_web_feibel/feibel__052sw_web.jpg, Foto: Jacqueline Walker, 2011, Erlaubis zur Veröffentlichung per Email 18.11.2011
Thomas Feibel, Leiter des Büros für Kindermedien in Berlin, Co-Initiator des Kindersoftwarepreises „TOMMI“ – Foto: Jacqueline Walker

Thomas Feibel: Nein, aber eine Ergänzung. Wir leben heute in Zeiten, in denen sich durch das Internet jeder mitteilen und ausdrücken kann. Wenn ein Verlag ein Manuskript nicht drucken möchte, gibt es vielerlei Möglichkeiten selbst aktiv zu werden. Das hat durchaus Vorteile, zumal viele Autoren einerseits die Ablehnung von Seiten eines Verlags auch als Absage an die Qualität des Textes verstehen. Selbst wenn es so nicht ist. Andererseits kommt durch diese Autonomie durch das Internet auch eine große Unübersichtlichkeit im Angebot zu Tage. Außerdem habe ich ein paar E-Books aus der Liga der Eigenregie gekauft, die ich nach zwei bis vier Seiten wieder weg gelegt habe. Sie waren schlecht bis gar nicht redigiert. Die Demokratisierung der Veröffentlichung bietet eben auch dem klassischen Leserbriefschreiber ein Forum. Bei mir hatte das die Wirkung, dass meiner Entdeckungsfreude in diesem Bereich rasch die Luft ausging.

http://www.piaziefle.de/wp-content/uploads/2011/09/35sw_zuschnitt-298x300.jpg, 2011, Erlaubnis zur Veröffentlichung per Email durch Pia Ziefle am 15.11.2011
Pia Ziefle, Schriftstellerin – Foto: Gerald von Foris

Pia Ziefle: Man muss genau trennen zwischen Kindle Direct Publishing und Amazon als Verlag. KDP bietet dem einzelnen Autor nicht mehr als eine Veröffentlichungsplattform und den großen Namen Amazon. Wenn der Autor nicht hervorragend vernetzt ist, kein unfassbar sensationelles Thema bietet und auch ansonsten keine On- und Offline-Präsenz zeigt, hat er sich einen Nachmittag damit befasst seinen Text zu konvertieren und das war´s. Im Übrigen sprächen die drei genannten Faktoren eher dafür, dass er interessant wäre für einen Verlag.

Welche Dienstleistungen erwarten sie von einem „ klassischen “ Verlag?

Thomas Feibel:
1. Einen Lektor: Mein Lektor sollte durch und durch Lektor sein und kein „Contentabwickler “ . Ich brauche einen geistigen Sparringpartner, der mir auch mal weiter hilft, wenn ich den Faden verloren oder mich thematisch verfranst habe.  Das gilt für Belletristik, aber auch für das Sachbuch. Das sind hochprofessionelle Ansprüche, aber es gibt diese Lektoren – und ich bin ihnen sehr dankbar.
2. Pressearbeit: Ich mache selbst viel Pressearbeit, aber eine PR-Abteilung, die kreative Ideen hat, ist dabei besser als nur eine Abteilung die auf Anfrage stumm Rezensionsexemplare verschickt. Gute Presseabteilungen machen auch Redaktionsbesuche und andere Termine, zum Teil mit dem Autor.
3. Lesungen und Vorträge: Darum kümmere ich mich hauptsächlich selbst, aber Verlage haben da noch mal andere Kontakte und Adressen.
4. Geld: Ich möchte einen angemessenen Lohn und gute Konditionen.

Pia Ziefle: Ich komme aus der Belletristik, das unterscheidet sich stark beispielsweise vom Fach- oder Sachbuch. Der Verlag muss mir ein Lektorat bieten  ̶ ̶ ohne das geht erstmal überhaupt nichts. Er muss meinem Text einen guten Platz im Programm geben und sich anschließend um Marketing und Vertrieb kümmern. Also um alles, was ich als Autorin eher nicht beherrsche, allein schon deshalb nicht, weil ich nicht über all diese Kontakte und Kompetenzen verfüge.

Rechtfertigen diese Dienstleistungen die Verteilung der Erträge zwischen den Autoren und den Verlagen?

Thomas Feibel: Sie bekommen für ein Buch nicht sehr viel Geld, außer Sie sind ein Promi oder bereits Bestsellerautor. Die Verlage leben auch immer davon, dass Autoren Menschen sind, die ein Buch „ machen wollen “ . Gerade als Journalist sehe ich, was ich mit einem Artikel und einem Buch verdiene. Zumal ich an einem Buch länger arbeite. Ohne Leidenschaft für das Buch ginge das sicher nicht. Sicherlich muss heute noch mal konkreter über verschiedene Medien gesprochen werden. Neulich fragte mich ein Onlinepublisher an und wollte die gleichen Konditionen wie ein klassischer Buchverlag bezahlen. Das Onlinebuch kostet 2,99 Euro und davon sehe ich dann vom Nettoverkaufspreis einen ähnlichen Prozentsatz wie im Print. Warum? Es gibt keinen Händler, keine Lager und so weiter. Das Argument war dann: Wir mussten die Technologie finanzieren. Mein Argument war: Ohne mich.

Pia Ziefle: Man darf nicht denken, dass Verlage nur dazu da sind, Druckaufträge zu erteilen, die man selbst hätte mailen können. Dass ein Verlag ein Buch überhaupt sichtbar am Buchmarkt platzieren kann, ist mir als Autor auf jeden Fall eine Teilung der Erträge wert. Außerdem hat der Verlag unter Umständen wesentlich mehr Möglichkeiten zur Rechteverwertung. Ganz sicher kann man darüber sprechen, wie viel der Content wert ist, ohne den der Verlag nicht arbeiten könnte, und wie viel die Verlagsarbeit, ohne die der Autor zwar weiterhin schreiben könnte, aber unter Umständen mit wesentlich geringerer Reichweite.

Ist eine Beziehung zu einem Verlag wichtig für den Autor um einen Mehrwert zu schaffen? Unterschätzt Amazon diese Beziehung?

Thomas Feibel: Ich habe das in Frage 2 beantwortet. Aber es gibt auch Verlage, in denen Sie nur ein Autor unter 700 Neuproduktionen sind.  Ich kenne die Motivation von Amazon nicht. Aber die Grundidee ist mit möglichst wenig Aufwand mitzuverdienen. Heute macht zum Beispiel der Gebrauchtmarkt bei Amazon beträchtlichen Gewinn. Amazon stellt nur die Plattform her. Ob jetzt hinter dem technischen Angebot, selbst Bücher zu machen eine literarische Ambition steckt, würde ich mit einem großen Fragezeichen betrachten.

Pia Ziefle: Amazon als Verlag versucht ja, bekannte Autoren anzuwerben. Denen wird Amazon mindestens dasselbe bieten plus höhere Beteiligungen, anders wären die sicher nicht zum Wechseln zu bewegen. Das KDP Modell ist keine Konkurrenz, nicht zu den jetzigen Bedingungen.
Ein Verlag glaubt an ein Buch und an einen Autor. Das transportiert sich und multipliziert sich, wenn jeweils ein weiterer Mensch aus Programmleitung, Presseabteilung, Marketing, Vertrieb usw. zu einem Buch steht. Siehe auch das Interview mit Karsten Kredel „ Auch Spitzentitel muss man lieben “ .
Amazon hingegen ist ein System, und ich bin nicht überzeugt davon, dass es diesen Glauben oder gar diese Liebe nachstellen kann.

Wäre es für Sie als Autor eine Option auf diesem Wege zu publizieren? Wenn ja, welche Vorteile versprechen sie sich davon?

Thomas Feibel: Ich würde es nur dann machen, wenn ich für eine Projektidee, an die ich fest glaube, keinen Printverlag fände. Dann aber würde ich dennoch für ein ordentliches Korrektorat/Lektorat sorgen und die Pressearbeit übernehmen. Ohne das geht so eine Onlinepublikation unter wie ein Stein im Wasser.

Pia Ziefle: Wenn ich etwas selbst publizieren würde dann nur das, was ich ohnehin jeden Tag ins Internet schreibe. Beispielsweise könnte ich mir vorstellen, mein Blogarchiv aus dem Netz zu nehmen und es stattdessen als E-Book zu verkaufen. Die Erträge könnten die Onlinekosten reinspielen und wenn es überaschend ein Erfolg wird, bin ich auch nicht sauer. Solche Texte würde ich nie bei einem Verlag unterkriegen. Für meinen Roman habe ich nur ganz kurz über Self-Publishing nachgedacht, aber ich hielt es für utopisch, trotz meiner relativ guten Vernetzung, eine nennenswerte Stückzahl zu verkaufen, geschweige denn, Medienresonanz zu erzeugen.

Wie schätzen Sie die Chancen für Neueinsteiger am Markt ein, auf diesem Wege erfolgreich zu publizieren?

Thomas Feibel: Solange das Werk professionell bearbeitet wurde, kann das eine prima Chance sein. Sicherlich hätte ich die Bücher, die ich mit Mitte 20 an die Verlage geschickt und mit einer Absage zurück bekommen hätte, selbst publiziert. Das schützt vor der Macht der Selbstzweifel nach einer Absage. Aber ob ich damit heute so glücklich wäre, steht auf einem anderen Blatt.

Pia Ziefle: Kommt darauf an, was man selbst für erfolgreich hält. Momentan ist man mit ein paar Verkäufen am Tag rasch unter den Top 20 bei Amazon, das bringt eine gewisse Sichtbarkeit neben den Verlagstiteln.
Trotzdem wird man schnell merken, dass sich das finanziell nicht gerade lohnt. Dennoch gibt es immer wieder Autoren, wie beispielsweise Nele Neuhaus, die ihre ersten Bücher selbst drucken ließ, bevor sie von ihrem Verlag entdeckt wurde. Absoluter Vorteil aber bei ihr: Sie hatte echte Bücher zum Anfassen – ich glaube, das ist immer noch der erfolgreichere Weg, weil man in Buchhandlungen der Region ein paar sichtbare Exemplare hinlegen kann und nicht nur einen Downloadlink verteilt.

Denken Sie, dass es für etablierte(re) Autoren einfacher ist, das Internet auf diesem Wege als neuen Vertriebskanal zu nutzen?

Thomas Feibel: Stephen King hat es probiert. Jeder Leser sollte einen Dollar zahlen. Er hat dann das Projekt vorzeitig eingestellt. Ich wäre sicherlich dazu bereit, wenn es mit einer besonderen Idee verknüpft wäre, die mich überzeugt.

Pia Ziefle: Man muss diesen Kanal unbedingt im Auge behalten. Aber ohne Leser, also Nutzer einer App oder eines Lesegerätes ist der schönste Kanal nutzlos. Spannend wird es, wenn dieses Jahr zu Weihnachten alle Leute einander Lesegeräte schenken. Denn wenn einmal eins im Haus ist, wird es auch genutzt, ich spreche da aus Erfahrung. Es hat nämlich was, innerhalb von ein paar Sekunden ein Buch zu finden, zu kaufen und auch zu lesen. Und das gemütlich vom Bett aus.

 

Vielen Dank für Ihre Antworten! Für Verlage der Zukunft: Christin Lorenz.

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