Self-Publishing ist eines der vieldiskutierten Themen der Branche. Aus diesem Anlass eröffnet die Frankfurter Buchmesse in diesem Jahr erstmals eine Self-Publishing Area (Halle 3.1). Neben zahlreichen richtungweisenden Beiträgen wird auch Friedrich Figge, Professor für Electronic Publishing an der HTWK Leipzig, einen Vortrag zu diesem Reizthema halten.
Die Frankfurter Buchmesse hat Prof. Figge für den Buchmesse-Blog vorab befragt:
#FBM: Wieso sollten sich Verlage mit Selfpublishing beschäftigen?
Prof. Friedrich Figge: Selfpublishing kann Verlage einerseits ersetzen, bietet aber auch große Vorteile bei der Risikominimierung und Kostenreduzierung. Ein Autor der beim Selfpublishing erfolgreich ist, beweist, dass er neben einem attraktiven Text den Verlag ggf. auch wirkungsvoll bei PR und Textaufbereitung unterstützen kann. Ich wundere mich, wieso Verlage den Autoren, bei denen die sich nicht ganz sicher sind, nicht einfach eine Publikation in einer Selfpublishing-Umgebung mit automatisierter printing-on-demand oder eBook-Publikationsmöglichkeit anbieten: Standardisiert, kostengünstig, effizient. So könnten sich die Verlage Kontakte und Rechte sichern und bei einem sich abzeichnenden Erfolg verstärkend einsteigen.
Und wenn die Verlage das gar nicht können?
Es gibt eine Reihe von Selfpublishing-Anbietern, die sicherlich gern ihr Know-How im Rahmen einer Kooperation zur Verfügung stellen. Ein klassisches win-win: Für beide Seiten ein zusätzliches Geschäft und für die betreffenden Autoren eine zusätzliche spannende Publikationsmöglichkeit.
Kannibalisieren sich die Verlage dadurch nicht selbst?
Natürlich ist der Umsatzanteil der Verlage dabei üblicherweise deutlich schlechter, es sinken aber auch Risiko und Kosten. Und offen gesagt: Lieber selbst das Geschäft machen, als es anderen zu überlassen. Vielleicht ist die Zeit “der Tauben auf dem Dach” auch einfach vorbei. Dann lieber einen Spatz in der “Selfpublishing-Hand”.
Können die Autoren dann nicht gleich auf die Verlage verzichten und ihren eigenen Gewinn maximieren?
Natürlich könnten sie das, aber wissen Sie: Geld ist ja nicht alles und wiegt gerade für Autoren manchmal geringer als Lebens- und Schreibzeit. Verlage haben nun einmal viel Erfahrung darin, Autoren bei Schaffenskrisen zur Seite zu stehen, Buchinhalte zu lektorieren und dann effektiv offline und online zu vermarkten. Diese Aufgaben werden viele Autoren ganz oder teilweise delegieren wollen und dafür gern Umsatzanteile gegen Verlagsbetreuung tauschen. Die meisten von uns gehen ja auch zum Friseur, obwohl sie Geld und Fahrzeit sparen könnten, wenn sie sich selbst die Haare schneiden lassen würden.
Last-but-not least: Was können Verleger von Selfpublishern lernen?
Na ja, Selfpublisher ist nicht gleich Selfpublisher, aber grundsätzlich: Die standardisierten Vorgaben und Prozesse, die Automatisierung und ggf. auch die effektive Vermarktung und Kunden- und/oder Kostenorientierung. Zusammengefasst: Wir können zukünftig mehr publizieren zu günstigeren Kosten als bisher. Gesellschaftlich ist das eine Fortschritt sowie Chance und Risiko für die Verlage zugleich!
Vielen Dank für das Gespräch!
Insbesondere das Thema Self-Publishing wird international diskutiert. So stand das Reizthema auch bei der London Book Fair im Frühjahr dieses Jahres auf der Agenda. Hier nun ein interessanter Video-Beitrag als Ergänzung zum Kurzinterview:
Das Interview erscheint mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Buchmesse.
Für Verlage der Zukunft: Marcel Knöchelmann