Mobile Payment – verlängerte Galgenfrist?

In Zeiten, in denen aus dem Luxusgut Mobiltelefonen der bundesweit flächendeckend und durch alle Altersschichten verbreitete, multifunktionale Kleincomputer geworden ist und rapide sinkende Nutzungsentgelte immer mehr Menschen den Zugriff auf online-Dienste ermöglichen, gleichzeitig das Vertrauen in bargeldloses Bezahlen gewachsen ist und aaa-micropayment für immer mehr attraktive Angebote tatsächlich Sinn macht, ist es nur natürlich, dass wieder Wind in die seit zehn Jahren böengeblähten Segel der Mobile-Payment-Anbieter kommt. Was ist neu?

Schon 2003 ging der damals vielversprechendste Anbieter Paybox in Deutschland pleite – die Technik funktionierte glänzend, aber keiner wollte mitmachen – denn: warum Geld für ein MP-fähiges Handy ausgeben, wenn es in Ermangelung einer signifikanten Verbreitung von Lesegeräten nirgends tatsächlich zum Einsatz kommen kann? Warum [im Taxi, im Kiosk, an den DB-Automaten] ein zusätzliches Lesegerät installieren, wenn keiner ein Handy hat, mit dem es nutzbar wäre?

Dienste wie Crandy und Luup scheiterten daran, dass zur Einrichtung von Kunden-Girokonten entweder eine nicht eben mal so erhältliche Banklizenz notwendig ist oder aber vorhandene Banken als Kooperationspartner gewonnen werden müssten – deren Interesse an Schmälerungen der Transaktionsgewinne hält sich allerdings naturgemäß in engen Grenzen. Enormes Startkapital oder eine bereits bestehende Kundenbeziehung sind also von Nöten, um den entscheidenden Anstoß vorzunehmen und so scheint es verwunderlich, dass erst jetzt eintritt, was einzig logische Konsequenz dieser Parameter ist: die Telekom, Vodafone und o2 begraben das Kriegsbeil um mpass zu gründen und erreichen, zumindest theoretisch auf einen Schlag 83% aller Handynutzer deutschlandweit.

Feldversuch

Zur Anmeldung bedarf es lediglich einer deutschen Handynummer und einer ebensolchen Bankverbindung, sowie der persönlichen Kundenummer des Handyanbieters, die auf der Website mittels Sicherheitsformular übermittelt werden und im Bedarfsfall nicht an den Händler weitergegeben werden, sondern nur dem System bekannt sind. Wer bereits Kunde bei einem der Unternehmen ist, muss seine Kontodaten nicht noch einmal übermitteln – eine wesentliche Hemmschwelle auf dem Weg der Marktdurchdringung bisher. Per sms soll ich meine Anmeldung bestätigen, erhalte aber daraufhin die Fehlermeldung, dass meine aus einem schlichten „ja“ bestehende Antwort nicht korrekt war und werde gebeten, den Vorgang zu wiederholen. Siehe, es klappt. (die Antwort war mit Großbuchstaben variiert.) Nach der erfolgreichen Anmeldung erhalte ich Vorschläge zum Online-Shopping, die aber für mich uninteressant sind und mache mich daher auf die Suche nach Anbietern, die mpass bereits nutzen: Referenzliste. Ich wähle ein Produkt und im Menüpunkt „Zahlungsweg“ mpass:

  1. Handynummer und persönlich gewählte, feste mpass-PIN eingeben
  2. Eingang einer SMS mit Aufforderung zur Kaufbestätigung
  3. SMS mit Antwort „Ja“ bestätigen (JA)
  4. Abbuchung erfolgt vom Konto per Lastschrift

Klappt reibungslos.

Smartphonenutzer, die gleich Onlinebestellungen über ihre mobile Internetverbindung machen wollen, bestätigen Bestellungen mit ihrer PIN, denn sie werden vom System an ihrer Handynummer erkannt und somit entfällt ein LogIn bzw. eine Kontoeröffnung beim Anbieter der gewünschten Ware. Noch ist das Angebot dürftig, die komfortable Nutzung allerdings überzeugt.

Im wirklich freien Feld aber ist mpass nur ein kleiner Schritt hin zum Mobile Payment, denn offline-Anbieter, sogenannte Geschäfte, müssten ihre Kassen nachrüsten und Handys über einen NFC-Chip verfügen – der Near Field Communication Chip ist es, der eine drahtlose Verbindung zu Lesegeräten ermöglicht und schon jetzt in Telefonen der Marke Nokia zum Einsatz kommt, außerdem bei google und Apple für zukünftige Geräte im Gespräch ist. Zu den derzeitigen Testgebieten gehören auch der Ticketverkauf der Deutschen Bahn und die NFC-Aufkleber der PayPal-Tochter Bling Nation, mittels derer sich ein Handy mit einem PayPal-Konto verbinden lässt, aber auch bspw. Kreditkartenunternehmen wie Visa, die durch Mobile Payment ihrerseits ernstliche Geschäftseinbußen zu erwarten hätten. (Im neuen Personalausweis steckt er übrigens schon)

Die Risiken der neuen MP-Varianten liegen auf der Hand – was einfach, unkompliziert und schnell funktionieren soll, darf dem Nutzer nur wenige Schranken entgegenstellen, soll aber gleichzeitig vor Missbrauch nicht minder geschützt sein. Handy verloren? Autsch. Lesegeräte-Code geknackt und in der S-Bahn dem Sitznachbarn das Konto leer saugen: Jackpot. Momentan ist eine eineindeutige Zuordnung einer Person denk- aber nicht umsetzbar: Iris-Scanner, Fingerabdruck-Scann auf dem Touchpad und dergleichen mehr werden bis zu ihrem umfassenden Einsatz noch Jahre auf sich warten lassen, das Senden einer Bestätigungs-SMS über 50 Cent am Getränkeautomaten dauert aber länger als das Kramen nach dem Geld.
Mich interessiert jetzt b) wo ihr den Mittelweg seht zwischen bequem und sicher, b) ob das was wird mit den drei Giganten / mpass und c) was das in Verbindung mit dem Bereich Micro Payment für Verlage hinsichtlich der Onlinepositionierung bedeutet.

 

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