Über 19,9 Millione Deutsche luden 2010 Medieninhalte (Musik, Hörbücher, E-Books, u.a.) aus dem Netz. 3,7 Millionen von ihnen taten dies illegal. Insgesamt wurden 185 Millionen Musik-Einzeltracks, 54 Millionen Spiel- und Kinofilme, 46 Millionen Musik-Alben, 23 Millionen Fernseh- und TV-Serien, 14 Millionen E-Books und 6 Millionen Hörbücher illegal heruntergeladen. Dabei stellen Sharehoster die Hauptquelle zur illegalen Beschaffung von Medieninhalten dar, wobei nicht nur einzelne Werke, sondern auch ganze Medienbibliotheken „getauscht“ werden.
Dieses Ergebnis zeigt die im August 2011 veröffentlichte Studie zur Digitalen Content Nutzung (DCN) des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI), des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und die GVU (Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V.). Die Studie beweist erstmals, dass nicht mehr nur die Musik-und Filmbranche von der schnellen Verbreitung digitaler Inhalte der Kreativwirtschaft betroffen ist, sondern auch im zunehmendem Maße die Buchbranche, deren Umsatzanteil im Bereich E-Book trotz hoher Investitionssummen beklagenswerterweise noch immer unter einem Prozent des Gesamtmarktes liegt.
Zwar werden E-Books beispielsweise bei thalia.de seit einigen Jahren mit Hilfe von DRM-Systemen (Digital-Rights-Management) gegen illegales Kopieren geschützt, jedoch zeigt die DCM-Studie, dass dies die Verbreitung illegaler Downloads nicht beeinträchtigt. Statt dessen sind viele DRMs für kaufwillige Leser noch immer ein Ausschlusskriterium. Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie weist auf, dass 81% derjenigen, die selbst Medieninhalte illegal herunterladen, glauben, dass die Versendung von Warnhinweisen dazu führen würde, dass die Menschen das illegale Filesharing einstellen. Zudem wissen 80% der Bevölkerung (DCN), dass das Herunterladen oder Anbieten urheberrechtlich geschützter Medieninhalte im Internet rechtliche Schritte nach sich ziehen kann. Was veranlasst nun so viele Konsumenten dazu, urheberrechtlich geschützte Inhalte im Internet illegal anzubieten, beziehungsweise herunterzuladen?
Eine Ursache liegt in der mangelnden Aufklärung über Urheber- und Eigentumsrechte begründet. So gilt beispielsweise das E-Book laut Urheberrechtsgesetz als Sprachwerk, ist also rechtlich gleichgesetzt mit einem Print-Buch. Demnach dürften selbst bei E-Books Kopien für private Zwecke gemacht werden, oder? Jein, denn seit 2008 dürfen laut der Urheberrechtsreform (2.Korb) Privatkopien nur angefertigt werden, „soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird. “ Die Frage die sich hierbei stellt: „Wie kann der Nutzer dies erkennen? “ Eine tatsächliche Infrastruktur neben dem Bauchgefühl existiert hier noch nicht und einhergehend ist auch das Bewusstsein vieler Leser noch wenig auf das Vermeiden von Grauzonen geprägt.
Des Weiteren kommt die Intransparenz der Nutzungsbedingungen von E-Book-Anbietern hinzu. Entscheidet sich ein Konsument, legal ein E-Book über einen Online-Anbieter zu beschaffen, lauern auch hier Gefahren, sich strafbar zu machen. Grund dafür sind die Nutzungsbedingungen der Anbieter, welche das Eigentumsrecht am E-Book direkt untersagen. So steht beispielswese in den AGBs bei libri.de: „ Libri.de verschafft dem Kunden an eBooks […]kein Eigentum. “ Somit ist eine Weitergabe der Inhalte, egal in welcher Form, direkt untersagt, schließlich kauft man nur das Recht, die Inhalte auf dem eigenen Endgerät abrufen zu können und nicht das E-Book (oder: dessen Inhalt) als solches.
Der dritte Grund liegt beim Urheberrechtsgesetz selbst. Eine Reform (3.Korb) wird derzeit diskutiert. „Spürbare Sanktionen für rechtswidriges Handeln“ forderte Gottfried Honnefelder (Vorsteher des Börsenvereins) zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse in diesem Jahr. Und damit ist er nicht allein, auch Politiker wie Jörg-Uwe Hahn (FDP) oder Guido Westerwelle (FDP) sprachen sich für den Schutz geistigen Eigentums im Internet aus, für ein Deutschland als Kulturnation. Ist es einfach noch nicht gefährlich genug, illegal zu nutzen? Oder, andersherum gefragt: Ist die illegale Verbreitung von Inhalten auch darin begründet, dass die mangelhafte Verfügbarkeit legaler Inhalte die Hemmschwellen senkt?
Hier vollzieht sich das bekanntes Spiel, bei dem sich die Katze selbst in den Schwanz beißt: die verschiedenen Modelle und Vorschläge zur Unterbindung widerrechtlicher Nutzung geschützter Inhalte konnten bisher in keiner Weise überzeugen, die ökonomisch schädigende Weitergabe von Inhalten weder gestoppt oder eingeschränkt werden. Eine entscheidende gesetzliche Festlegung gibt es in vielen Punkten nicht und das wiederum heißt für viele Verlage: wir bieten unsere Inhalte lieber nicht digital an, denn das kannibalisiert unser Hauptgeschäft. Und dann fehlen die legalen Inhalte und werden von Nutzern selbst bereitgestellt. Ganze Plattformmodelle funktionieren so und Geld verdient damit niemand außer den Betreibern.
Aktuelle Informationen zum Thema „Urheberrecht in der digitalen Welt “ gibt es bei irights.info.
Und hier: http://www.buchreport.de/nachrichten/verlage/verlage_nachricht/datum/2011/11/24/urheberrecht-ueberfordert-nutzer-und-politiker.htm