Buchtage Berlin & AKEP-Jahrestagung 2012 – ein Interview mit Peter Kraus vom Cleff, kaufmännischer Geschäftsführer der Rowohlt Verlage

Die Buchtage Berlin und die AKEP-Jahrestagung fanden dieses Jahr vom 20. bis 22. Juni in den Räumen des Berliner Congress Centers in der Nähe des Alexanderplatzes statt. Die Tagung des Arbeitskreises Elektronisches Publizieren (AKEP) feierte sein 20-jähriges Bestehen.

Zur Eröffnung am Mittwochmorgen verdeutlichte Steffen Meier (Eugen Ulmer Verlag) aus dem Sprecherteam die Bedeutung des AKEP für die Branche. Mehr denn je sei seine Existenz gerechtfertigt. Ein Appell zur Beteiligung und Mitarbeit wurde an die Zuhörer gerichtet. Thema der Tagung solle vor allem das Urheberrecht beziehungsweise dessen Entwicklung und Durchsetzung sein. Nach Meier werde die Debatte immer schärfer und es müsse diskutiert werden – „Wegducken geht nicht.“ Die Zukunft sei digital. Es müssen neue Geschäftsmodelle entwickelt werden, um als Unternehmen in der Branche bestehen zu können.

Meier betonte, das Buch habe eine Zukunft. Neben der digitalen Form solle aber nicht auf die klassischen Printprodukte verzichtet werden. Der AKEP suche den Schulterschluss zum Buchhandel, da er auf dessen Erfahrung und Kompetenz nicht verzichten wolle. Mit Blick auf die Veränderungen in der Buchwelt wurde betont, dass Verlage einen „langen Atem“ hätten und auch diese Zeit überstehen würden.

Die Urheberrechtsdebatten polarisieren die Branche. Das Programm der Buchtage Berlin wurde umgestellt, um sich noch intensiver mit dem Urheberrecht auseinanderzusetzen. Die Fronten scheinen verhärtet (Link). Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins, kündigte einen konstruktiven Vorschlag zur Überarbeitung des Urheberrechtes mit Hinblick auf die digitale Welt an. Auf der Frankfurter Buchmesse 2012 solle jener vom Börsenverein vorgestellt werden (Link).

Verlage der Zukunft führte zum Thema Urheberrecht auf der Tagung ein Interview mit Peter Kraus vom Cleff, kaufmännischer Geschäftsführer der Rowohlt Verlage:

Der Ausdruck beziehungsweise das Wort Piraterie stößt bei Peter Kraus vom Cleff auf Unverständnis. „Pirat“ sei ein beschönigender und romantisierender Begriff, denken wir an den „Piraten der Karibik“ Johnny Depp. Pirat sei aber auch ein Synonym für die tatsächliche grausame Piraterie, die es noch heute vor der Küste Somalias gibt und welche die Nahrungsmittelversorgung von Millionen Menschen gefährdet. Kraus vom Cleff verdeutlichte, bei Internetpiraterie handele es sich oft um gewerbsmäßig organisierte Kriminalität, wie das Beispiel Megaupload beweise. Die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, Muttergesellschaft des Rowohlt Verlages, gebe im Jahr rd. 160.000 EUR für „Piraterieüberwachung“ und zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen aus. Dies gehöre zur 360°-Autorenbetreuung des Verlages. Die Autoren sollen sich im Verlag geborgen fühlen und unterstützt werden, auch was den Schutz ihrer Urheberrechte angeht. Aktuell, so Kraus vom Cleff, sei diese Rechteverfolgung ein Minusgeschäft. Holtzbrinck erzielte 2011 knapp 14.000 EUR aus diesem Engagement. Oft werden die illegalen Inhalte durch das Notice-takedown-Verfahren entfernt. Häufig werden diese Inhalte jedoch bereits fünf Minuten später erneut hochgeladen.

Die Durchsetzung des Urheberrechts mittels technischer Möglichkeiten, wie dem Digital Rights Management (DRM), einer Nutzungskontrolle, sei nicht unumstritten. Nicht nur der Verlag, schilderte Kraus vom Cleff, sondern auch viele Autoren bestünden auf DRM, stelle es doch die aktuell einzig wirksame Möglichkeit zur Sicherstellung der Urheberrechte im Netz dar. Für den Nutzer gehe dies jedoch häufig mit unkomfortablen Folgen einher, z.B. wenn er ein E-Book nur auf einem Gerät einmal hochladen kann. Rowohlt ist sich dieses Problems bewusst und bietet ein DRM an, mit dem ein E-Book auf bis zu fünf Geräten hochgeladen beziehungsweise gleichzeitig genutzt werden kann. Sollte eine Datei beschädigt werden, könne sich der Leser an den Verlag wenden und erhielte eine Neue. Service und Bequemlichkeit seien die Maxime für die Zukunft. In dieser Aussage schließt sich Kraus vom Cleff Sascha Lobo (Blogger und Autor) an. Letzterer bekräftigte diese Haltung in einem der Vorträge der Tagung. Zudem habe DRM auch durchaus seine guten Seiten und Gestaltungsmöglichkeiten. Als Beispiele nannte Kraus vom Cleff das zeitlich befristete Ausleihen von Dateien von Bibliotheken oder die zeitliche befristete Zurverfügungstellung von Presserezensionsexemplaren.

Die gesetzlichen Schrankenregelungen des Urheberrechtes müssten eingehalten, aber mit Blick auf moderne Nutzungsgewohnheiten, angepasst werden. Beispielsweise, so Kraus vom Cleff, solle der Privatgebrauch von Fotos und Zitaten auf Homepages in den Schranken verankert werden. Das Urheberrecht müsse gesetzlich weiterhin geschützt sein, es sollte aber im konstruktiven Meinungsaustausch geklärt werden, wo auf neue technische Möglichkeiten hin „nachjustiert“ werden müsse. Bestimmte Nutzungsformen sollten legal möglich sein, z.B. dass Leser beim Austausch über Werke längere Passagen zitieren könnten, gerade im Social Media-Bereich. Kraus vom Cleff spricht sich erst dann für die Verfolgung von Verstößen aus, wenn der Urheber einen Schaden davon trägt.

Zum Thema der Piratenpartei äußerte er sich nicht verurteilend. Er beschäftigte sich mit dem Wahlprogramm in Schleswig-Holstein und fand durchaus beachtenswerte Ziele. Er könne nachvollziehen, warum diese Partei gerade auf junge Menschen solchen Einfluss habe. Die Partei wirke aber noch sehr zersplittert. Man habe das Gefühl, die eine Hand wisse nicht was die andere tut, schrille Einzelstimmen würden in der öffentlichen Aufmerksamkeit bewusst überbewertet. Darum sei es für die Verlage so schwierig, sich zu den Aussagen der Piratenpartei konkret zu positionieren.

Die Debatte um die staatliche Vorratsdatenspeicherung erübrige sich, da z.B. Google und Facebook sowieso ganz genau über die Daten ihrer „User“ informiert seien und diese weitestgehend freiwillig, aber auch unfreiwillig, abgäben. Es werde mit Schlagworten Panik gemacht. Treffend beschrieb er den Zustand: „Facebook weiß wer wir sind, Amazon was wir wollen und Google was wir denken.“

Doch welche neuen Geschäftsmodelle gibt es in der Branche? Nach Kraus vom Cleff müsse eine Transformation der angestammten Verlagsgeschäftstätigkeiten stattfinden. „Wir verändern uns, bevor wir verändert werden.“ Der kaufmännische Geschäftsführer von Rowohlt verweist unter anderem auf SKOOBE, die mobile Bibliothek, die Buchcommunity lovelybooks und das im Herbst bei Rowohlt erscheinende HC-E-Book-Bundleangebot von Passig/Lobo. Diese Initiativen zeigten, dass Veränderungen als Chance verstanden würden. Die Autoren stünden diesen Entwicklungen sehr differenziert gegenüber. Die Einen seien begeistert, andere ratlos, einige fühlten sich nicht betroffen.

Rowohlt jedenfalls wolle sich der digitalen Welt stellen. Die Rowohlt Verlage seien neugierig darauf, neue spannende Dinge auszuprobieren.

Esther Kohlschmid

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