5. Jour-Tex in Leipzig
Medienneutrale Auszeichnungssprachen wie XML bieten große Möglichkeiten, wenn es darum geht, Textdokumente für die verschiedensten Ausgabegeräte und -formate aufzubereiten. Kein Wunder, dass sie in der heutigen Verlagsbranche immer wichtiger werden. Allerdings wird dabei eher selten daran gedacht, dass man diese Techniken auch nutzen kann, um Medienprodukte besser auf die Bedürfnisse von z.B. Sehbehinderten und Blinden zuzuschneiden.
Genau das war auch das Vortragsthema beim 5. Jour-Tex, welcher am 5. Dezember 2013 in den Räumen des Leipziger Satzdienstleisters Da-Tex stattfand. „Barrierefreier Satz“ lautete das Stichwort. Die Referentin Nancy Seidel erläuterte, welchen Beitrag Satzdienstleistende im Allgemeinen und Technologien wie XML im Besonderen diesbezüglich leisten können.
Damit es als „barrierefrei“ gelten kann, muss ein Medienprodukt für Menschen mit Behinderungen ohne besondere Beschwernis und fremde Hilfe zugänglich sein – so wird es in der bundesdeutschen Barrierefreien Informationstechnik-Verordnung (BfIV) definiert und gefordert. Für Inhalte im Netz sind dagegen die vom W3C herausgegebenen Richtlinien für barrierefreie Webinhalte richtungsweisend. Dennoch bleibt Barrierefreiheit eher ein ideales Ziel, das es anzustreben gilt, als dass sie immer voll und ganz für jeden Einzelfall gewährleistet werden könnte. Auch aus Sicht der Herstellung lässt sich einiges tun, um die Hürden möglichst niedrig zu halten, wie Frau Seidel in ihrem Vortrag erklärte.
Bei Bildinhalten sind beispielsweise Kontraste und Farben besonders wichtig. Ebenso muss darauf geachtet werden, dass die Bilder skalierbar sind. Das Layout sollte die Verständlichkeit des Textes verbessern und diesen so gliedern, dass eine leichte Orientierung möglich ist. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Geräteunabhängigkeit der Formate, die es möglich macht, den Text je nach Bedarf z.B. in Blindenschrift, als DTBook oder auch als Großdruck-Buch auszugeben. Auch eine Interaktivität der Inhalte lässt sich dabei automatisiert herstellen.
Das Fazit der Referentin: Ein höherer Automatisierungsgrad und eine einheitliche medienneutrale Datenhaltung sind nicht nur hilfreich, sondern auch unumgänglich für eine möglichst einfache Zugänglichkeit der Medienprodukte. Schließlich wird es dadurch ohne großen zusätzlichen Aufwand möglich, die Inhalte in jede gewünschte Form und jedes mögliche Ausgabemedium umzusetzen und so den Bedürfnissen und Handicaps der jeweiligen Nutzerinnen und Nutzer anzupassen. Gerade Herstellende und Satzdienstleistende können dabei einiges beitragen.
Neue Technologien können und sollten dabei gezielt genutzt und getestet werden. So stellt etwa der Trend zum eBook eine große Chance im Sinne der Barrierefreiheit dar. Schließlich bietet das elektronische Buch schon heute Möglichkeiten, die dem Printprodukt vorangehen und die Nutzung für Menschen mit Sehbehinderungen deutlich erleichtern – etwa die Möglichkeit, den Schriftgrad auf die gewünschte Größe zu erhöhen.
Doch trotz allem gibt es nach wie vor Probleme. So schränken das Digital Rights Management und die fehlenden gemeinsamen Standards der Verlage bei den verwendeten Formatvorlagen die Konvertierungsmöglichkeiten ein. Ohnehin scheint das Thema der Barrierefreiheit bei vielen Verlagen noch nicht wirklich angekommen zu sein. Gegenüber der Möglichkeit, auch Menschen mit Sehbehinderungen als potentielle Kunden anzusprechen und zu gewinnen, überwiegt dann doch oft die Sorge vor zusätzlichen Kosten. Wobei diese Sorge – dank XML und artverwandten Technologien – weitgehend unbegründet ist. Wie die Entwicklung weiter verläuft, bleibt aber dennoch abzuwarten. Die medienneutrale Datenhaltung könnte jedenfalls helfen, die Hürden, denen Menschen mit Sehbehinderung beim Zugang zu Medienprodukten gegenüberstehen, beträchtlich zu senken. Wenn das kein Fortschritt ist…