Wer mit einem geisteswissenschaftlichen Abschluss in die Verlagsbranche starten möchte, braucht inzwischen neben Liebe zu Literatur auch viel Offenheit für neue Formen und Entstehungswege von Büchern. Tea Herovic hat mit Literaturwissenschaft, Philosophie und Politologie klassische Geisteswissenschaften studiert und stellt genau hierfür ein tolles Vorbild dar. Ich durfte ihr ein paar Fragen zu ihrem Einstieg in die Verlagswelt der Zukunft und ihre Mitarbeit beim Innovationsprojekt Oetinger34 stellen.
Was ist deine aktuelle Position bei Oetinger?
Ich arbeite seit einem Jahr als Business Development Managerin für Oetinger34, einem neuen digitalen Start-up-Projekt des Verlags Friedrich Oetinger in Hamburg.
Was macht man als Business Development Manager denn genau?
Das Business Development beschäftigt sich klassischerweise mit der Geschäftsfeldentwicklung, das heißt man evaluiert innovative und bisher noch nicht erschlossene Geschäftsfelder. Um das gut und erfolgreich machen zu können, muss ich mich stets über Trends, Entwicklungen und neue Projekte aus der Buch-und Medienbranche informieren. Immer wieder über den Tellerrand schauen gehört ebenfalls dazu. Neben viel Recherche und Konzeption neuer Ideen und Projekte verstehe ich mich auch als Schnittstelle zwischen der IT und den jeweiligen Fachabteilungen. Meine tägliche Herausforderung ist es, Verständnisbrücken zwischen den einzelnen Abteilungen zu bauen. Das ist für mich der herausforderndste Teil meiner Arbeit, da man in vielen Abstimmungs- und Anforderungsrunden sitzt bevor man selbst loslegen kann. Wenn dieser Verständnispart geschafft ist, müssen die fachlichen Anforderungen geschrieben werden und dann wird losprogrammiert. Natürlich programmiere ich nicht selbst! Bei Oetinger34 habe ich auch einen operativen Part, weshalb meine Arbeit eigentlich erst dann aufhört, wenn die Software richtig rund läuft und alle damit gut arbeiten können. Wie man weiß, ist das meist ein langer Weg für den man einen langen Atem und viel Ausdauer braucht.
Das klingt spannend, zumal du ja eigentlich aus einem ganz anderen Bereich kommst. Du hast Germanistik, Philosophie und Politik studiert. Wie kam es zu diesem Sprung in einen ganz neuen Arbeitsbereich?
Absolut unerwartet und spontan. Ich habe nach meinem Studium ein Volontariat beim Carl Hanser Verlag in der Presseabteilung gemacht. Zuvor habe ich neben dem Studium für den Fischer Verlag gearbeitet, aber auch am Schauspielhaus und der Oper Frankfurt. Ein kurzer Abstecher in die Agenturwelt war auch dabei. So gesehen habe ich immer wieder nach neuen Erfahrungen für mich gesucht, da ich mich schwer nur für ein Tätigkeitsfeld allein entscheiden konnte. Zu Oetinger kam ich dann über eure Speedmeeting-Veranstaltung im Rahmen der Frankfurter Buchmesse. Dort habe ich Till Weitendorf kennengelernt und dann ging alles ziemlich schnell, da er mich sofort für das Projekt begeistern konnte. Und ehe ich mich versah, saß ich im Umzugswagen nach Hamburg.
Oetinger34 ist dein erstes großes Projekt als Business Development Manager. Was ist Oetinger34 genau?
Oetinger34 ist eine Plattform auf der Autoren, Illustratoren und Lektoren gemeinsam mit Lesern an neuen Buchprojekten zusammenarbeiten können. Dieser kollaborative Ansatz entspricht den Arbeitsgewohnheiten von Digital Natives und sorgt für einen dynamischen, selbstbestimmten und kreativen Entstehungsprozess von Content. Wir befinden uns zurzeit in einer geschlossenen Beta-Phase, zu der nur exklusive Testuser zugelassen sind und die Plattform testen. Und schon jetzt können wir beobachten wie schnell tolle Ideen gemeinsam entwickelt werden und sich die Kreativteams intuitiv zusammenfinden. Fertige Projekte können zu Votings eingereicht werden, in denen Leser und Lektoren ihre Top 10 wählen. Daraus publizieren wir die besten Projekte in der Edition Oetinger34 als eBook und/oder Printbuch. Uns ist besonders die Qualität wichtig, dafür stehen wir auch mit unserem Namen als traditionsreicher Kinder- und Buchverlag. Deshalb sind wir auf der Suche nach Talenten, die sich mit ihrem Können bei uns bewerben. Außerdem sichtet unser Oetinger34-Lektorat ebenfalls die Projekte und bildet die Kreativen auf der Plattform fort. Hierfür entwickeln wir gerade einen eigenen Kinder-und Jugendbuch-Campus.
Was macht dir bei der Entwicklung von Oetinger34 besonders Spaß?
Die Vielfalt und die Arbeit in einem heterogenen Team. Auch wenn es nicht immer leicht ist zwischen den verschiedenen Abteilungen zu vermitteln und auch selbst für alle Details ein offenes Ohr zu haben, macht es doch meinen Arbeitsalltag sehr spannend und abwechslungsreich. Im meinen bisherigen Jobs wurde es mir irgendwann immer etwas einseitig. Und noch etwas habe ich wirklich zu schätzen gelernt: das Arbeiten in kleinen, agilen Teams. Flache Hierarchien, eigenständiges Arbeiten ohne starre Unternehmensstrukturen, die einen ausbremsen. Das gibt mir den nötigen Raum für kreative Ideen und Lösungen. Für mich ein wichtiger Wohlfühlfaktor.
Siehst du dich selbst als ein gutes Beispiel dafür, dass es sich lohnt in den klassischen Buchnachwuchs zu investieren?
Diese Frage müsstest du eigentlich meinen Chef stellen! Was ich auf jeden Fall sagen kann ist, dass es sich gerade bei Oetinger34 als sehr wichtig erwiesen hat einen „Buchmenschen“ im Team zu haben. Vor mir bestand das Team hauptsächlich aus Entwicklern und einer jungen, buchaffinen Truppe auf der Fachabteilungsseite. Alle waren natürlich in ihren Bereichen stark, jedoch wusste keiner von ihnen so wirklich wie Bücher gemacht werden. Als es dann an die Detailfragen im Hinblick auf inhaltliche Entstehungsprozesse, Herstellung und Vertriebs ging, zeigte sich schnell, dass es wichtig ist jemanden an Bord zu haben, der weiß was z.B. ein Fahnenlauf ist, wie Lektoren redigieren und wie die Zusammenarbeit mit Autoren aussieht. Oder auch welche Layout-Basics zu beachten sind, wenn man gute Bücher machen will. Gerade diese Mischung an Fachwissen und Kompetenzen hat das Projekt stark nach vorn gebracht und uns alle zusammenwachsen lassen.
Du hast ja bereits einiges an Erfahrungen in der Buchbranche sammeln können. Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Kriterien, um erfolgreich eine Karriere in der Buchbranche zu starten?
Ich denke, dass es keine allgemeingütigen Kriterien gibt. Was ich aus meiner Erfahrung sagen kann ist, dass es für mich immer wichtig war, dass ich für eine Sache wirklich brenne. Nur dann war ich so richtig gut in meiner Arbeit. Für mich war schon früh klar, dass ich was mit Kultur machen will. Es war nicht immer ganz klar gewesen, ob es was mit Büchern sein wird. Das hat sich so ergeben. Aber ich habe alle meine Jobs wirklich machen wollen. Ich habe mich nie gezwungen für Institutionen zu arbeiten, deren programmatische Ausrichtung ich nicht mochte. Und wenn ich gemerkt habe, dass mir der Job nicht genug gibt, dann habe ich mehr gefordert. Ich denke, dass es wichtig ist seinen Wert zu kennen und auf sein Recht zu bestehen ausgebildet und gefördert zu werden. Nur dann kann man sein Können vertiefen, neues Wissen erlangen und sein Profil schärfen. Dabei ist es glaube ich auch wichtig immer offen zu bleiben für Neues. Ich hätte während meiner Zeit bei Hanser niemals gedacht, dass ich mal ein innovatives Digitalprojekt betreuen werde. Jetzt bin ich mitten drin und kann mir kaum vorstellen wieder aus der digitalen Schiene rauszugehen! Doch wer weiß, wo ich in einem Jahr sein werde. Ich lass mich einfach mal überraschen was noch so kommt.
Vielen Dank für deine Zeit!
Für alle, die neugierig geworden sind, geht es hier zu Oetinger34.
Autorin: Unica Peters