Der neue Vertriebskanal Streaming kennt in der Musik- und in Hörbuchbranche umsatztechnisch momentan nur eine Richtung: nach oben. Obwohl erste Streaming-Anbieter bereits seit 2005 im deutschen Markt präsent waren, hat sich der Trend erst 2012 in D durchgesetzt: Im Juni 2012 wurden rund 144 Millionen Streams gezählt, diese Zahl hatte sich im Dezember 2013 bereits mehr als vervierfacht. Parallel dazu stieg der Umsatz mit physischen Hörbüchern 2013 um 3,9 Prozent, während Vertrieb von Hörbüchern über Online- Kanäle um 2% zulegte. Diese Zahlen kamen für die Buchbranche relativ überraschend, wurde Hörbüchern 2012 noch für letztes Jahr ein Umsatzminus prognostiziert. Nun diskutieren Hörbuchverleger und Buchhändler: Woher kommt dieses überraschende Umsatzplus? Liegt es am für Hörbücher neuen Vertriebskanal „Streaming“ und ist vielleicht Streaming der Vertriebskanal der Zukunft für Hörbücher?
Der deutsche Buch- und Hörbuchmarkt sind eng miteinander verbunden. Hörbuchverlage nutzen hauptsächlich die gleichen Vertriebskanäle wie Buchverlage. Der Hörbuchmarkt zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass Hörbücher nicht nur von Buchverlagen, sondern auch von unabhängigen Hörbuchverlagen und Unternehmen der Musikbranche produziert werden. Dies führt dazu, dass vor allem Letztere mit anderen Vertriebswegen mehr experimentieren als es in der Buchbranche üblich ist.
Ein Hörbuchverlag hat mehrere Möglichkeiten, ein Hörbuch als physisches Produkt zu vertreiben. Die CD ist seit Jahren das gängigste Trägermedium. 2009 brachte der Hörbuchverlag „Radioropa“ die ersten Hörbücher als Mp3 auf einer Mikro-SD-Card in den Buchhandel. Seitdem wurde viel mit alternativen physischen Medien experimentiert, zum Beispiel der Verkauf von Mp3-Playern mit einem vorinstallierten Hörbuch. Nichts konnte sich als Alternative physische Form gegenüber der CD erfolgreich durchsetzen.
Der klassische Versandbuchhandel indes erlebt zugunsten des Onlineversandhandels seit Jahren einen kontinuierlichen Rückgang: 2012 sank der durch den klassischen Versandbuchhandel gemachte Umsatz um 13,9%, während der Umsatz des Versandbuchhandels einschließlich Internetbuchhandel um 6,3% stieg. Diese Verschiebung lässt sich genauso beim Versandhandel von Hörbüchern beobachten – der klassische Versandbuchhandel spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Im Internetbuchhandel ist, nach aktuellen Schätzungen der Onlineversandhändler, Amazon mit einem geschätzten Marktanteil von 84% eindeutiger Marktführer.
Abo-Modelle: Neben dem Einzeldownload spielt im Hörbuch-Downloadbereich auch das Abonnement eine Rolle, das dem Endkunden im Rahmen einer monatlichen oder jährlichen Gebühr Zugriff auf ein breites Titelangebot eröffnet. Verlage machen einen großen Teil ihrer Umsätze mit Downloadportalen mit dem amerikanischen Hörbuch-Anbieter Audible, welcher 2008 von Amazon übernommen wurde. Auch Audible bietet neben dem Einzelkauf von Hörbüchern vorrangig die Auswahl zwischen verschiedenen Abo-Modellen an: Der Kunde zahlt monatlich einen bestimmten Betrag und erhält dafür jeden Monat ein Hörbuch seiner Wahl umsonst sowie einen günstigeren Preis für andere Hörbücher des Shops. Auch bei den Abo-Modellen gibt es in Deutschland keine nennenswerte Alternative zu Amazon. Das Barsortiment Libri hat seinen Versuch, Hörbücher im Abo anzubieten, Anfang 2014 eingestellt.
die Onleihe: Kunden einer Stadtbibliothek (Deutschland, Österreich und Schweiz) haben die Möglichkeit auf der Plattform „Onleihe“ des Bibliotheksdienstleisters DiViBib digitale Medien wie E-Books, Zeitungen und Zeitschriften, aber auch Hörbücher mit ihrem Bibliotheksausweis für die Dauer einer festgesetzten Frist über deren Homepage oder die Onleihe-App auszuleihen. Dabei kann jedes Medium, wie in einer Bibliothek, von nur einem Nutzer gleichzeitig ausgeliehen werden. Nach Ablauf der Frist lässt sich das Hörbuch nicht mehr öffnen. Aber obwohl die E-Books und Hörbücher in digitalisierter Form existieren, erteilen Verlage nur zögerlich Nutzungslizenzen und argumentieren, digitale Inhalte zeigen im Gegensatz zu physischen Medien keine Verschleißerscheinungen. Viele Verlage sind keine Teilnehmer der Onleihe, wie zum Beispiel die Holtzbrinck-Gruppe.
Streaming/„Flatrate“: Das Streaming ist ein vom Hörbuchmarkt noch wenig erschlossener Vertriebskanal. Bei Streaming-Portalen handelt es sich um Intermediäre, die Musik oder Hörbücher zu einem bestimmten Betrag pro Monat oder Jahr anbieten, mit dem Unterschied zum Abo-Modell, dass der Kunde nicht das Hörbuch kauft, sondern jederzeit online darauf zugreifen und es abspielen kann. Führender Anbieter ist hierbei der Streaming-Anbieter Napster, der seit 2009 Hörbücher im Angebot hat, heute etwa 3.000 Titel. Vom monatlichen Nutzungsbeitrags des Kunden werden 75 bis 80 Prozent an die Musikindustrie abgeführt, weshalb viele Hörbuchverlage darauf verzichten, den eigenen Hörbuch-Katalog oder einen Teil für das Angebot eines Streaming-Portals zur Verfügung zu stellen. Verlage, die bereits bei Musik-Streaming-Anbietern vertreten sind (z.B. Argon, Lübbe Audio), sprechen im Bezug auf die Umsätze über geringe, aber stabile Zusatzumsätze, sehen aber Streaming mehr als Marketingtool denn als Vertriebskanal.
Insgesamt lässt sich sagen, dass der stationäre Buchhandel auch 2013 noch nach wie vor der wichtigste Vertriebskanal für Hörbücher ist: Laut der Media Control Gfk International stieg der Umsatz des deutschen Buchhandels mit physischen Hörbüchern in Deutschland im Jahr 2013 sogar um 3,6%.
Jedoch der Vertriebskanal mit dem größten Entwicklungspotential ist das Streaming – die positive Umsatzentwicklung in digitalen Vertriebskanälen trotz wachsender Zahl der physisch verkauften Hörbuch-CDs zeigt, dass der physische Vertrieb und Streaming noch nicht im Substitutionsverhältnis zueinander stehen, sondern stattdessen neue Zielgruppen erreicht werden können, für die durch Streaming der Erstkontakt mit dem Hörbuch zustande kommt und die zusätzlich Hörbuch-CDs kaufen. Inwiefern in den nächsten Jahren dieser Zustand anhalten wird oder eine Umsatzverlagerung innerhalb der verschiedenen Vertriebskanäle stattfinden wird, ob digitale Vertriebskanäle den Buchhandel als wichtigsten Vertriebskanal ablösen werden oder ob das Streaming sich lediglich zu einem Nischen-Vertriebskanal entwickeln wird, bleibt offen.
Autorin: Flora Ihlau