Vom Dschungel der Schriftlizenzen und Social Networks für Typographen
Ob Freefont, Open Source oder Lizenzschrift – bei vielen Nutzern besteht oft Unklarheit, wie sie nun eigentlich mit einer Schrift umgehen dürfen und wo sie eingesetzt werden darf. Oftmals ist es ehrliche Naivität, die uns in die Falle tappen lässt. Dann ist der neu entdeckte und lieb gewonnene Freefont doch nicht mehr so frei und kostenlos, wie wir zunächst angenommen haben. Aber woran liegt es, dass die Angelegenheit mit den Schriften so kompliziert ist? Und welche neuen Modelle gibt es, die versuchen Schriftlizenzierung moderner und praktischer zu gestalten?
Rechtliches und ein kleiner Happen Geschichte
Früher war es einfacher. Als Computer noch nicht zum Alltag eines jeden Gestalters oder Setzers gehörten, konnte man Schriften noch in Form von Blei oder Fotosatz-Scheiben kaufen, denn dies waren tatsächliche materielle Güter und somit Sachen, an denen ein Eigentum erworben werden konnte. Außerdem limitierten sie sich selbst auf natürliche Weise: Denn es konnte immer nur ein Setzer zu einem Zeitpunkt mit dem erworbenen Bleisatz arbeiten und nach einer bestimmten Anzahl an Druckvorgängen waren die Lettern abgenutzt und mussten erneuert werden.
Heute ist das ganz anders. Wir erhalten Schriften in Form von Font-Software. Software jeglicher Art ist nichts Greifbares, ein immaterielles Gut und somit im juristischen Sinne keine Sache. Und da man nur an Sachen ein Eigentum erwerben kann, kann man Schriften heute auch nicht mehr kaufen! Man kann lediglich eine Nutzungslizenz erwerben. Und das sorgt für Verwirrung: Was darf man mit welcher Lizenz eigentlich tun? Was ändert sich bei E-Books und Apps? Welche Lizenz passt am besten zu meinem Vorhaben?
Eine Nutzungslizenz hat jeder schon einmal erworben – ein Computerprogramm, eine App für das Handy, eigentlich alle nur digital verfügbaren Produkte. Aber wann nutzt man eigentlich eine Schrift?
Eine Schrift wird immer dann aktiv genutzt, wenn sie gerendert wird, also wenn der Font in eine darstellbare Grafik umgesetzt wird. Dies passiert beispielsweise wenn ein Logo erstellt wird. Die Schrift, die im Logo verwendet wird, wird nur ein einziges Mal tatsächlich genutzt, und zwar in dem Moment, in dem der Designer das Logo aus der Gestaltungssoftware exportiert. Zu diesem Zeitpunkt wird die Schrift gerendert – das Logo selbst ist nur eine Sammlung fest platzierter Vektoren.
Aber was passiert nun bei E-Books und Apps? Hier ist der entscheidende Unterschied, dass der Leser selbst die Schrift erst auf seinem Gerät rendert. Sie wird also mitgeliefert. Wesentlich ist aber der Nutzungszweck: während der Designer seinen Lebensunterhalt, unter anderem, mit der Nutzung von Schriften verdient und sie somit als professionelles Werkzeug nutzt, will der E-Book Leser die Schrift einzig als Mittel zum Konsum seines Buches nutzen. Und genau aufgrund dieser Unterscheidung gibt es Schriftlizenzen speziell für E-Books, Apps und Webinhalte.
Aber was darf man jetzt eigentlich mit Freefonts oder Open Source Schriften?
Open Source Schriften sind quelloffene Schriften. Am besten lassen sie sich mit dem quelloffenen Betriebssystem Linux vergleichen. Hier kann der Nutzer die Ressourcen einsehen, verändern, frei nutzen und anpassen. Der Nutzer ist also eingeladen mit an der Schrift bzw. der Software zu arbeiten und diese für andere zur Verfügung zu stellen. Software dieser Art ist immer mit einer freien Lizenz behaftet, die von Non-Profit-Organisationen für Nutzer bereitgestellt wird. Hier werden alle Nutzungsbestimmungen juristisch korrekt festgehalten. Für Schriften sind die meist genutzten freien Lizenzen die OFL (Open Font License) des SIL (Summer Institute of Linguistics) und die Apache License V 2.0.
Die größte Sammlung Open Source Schriften stellt momentan Google Fonts mit 848 verschiedenen Schriftfamilien verschiedenster Schriftgattungen.
Etwas ungenauer wird es bei Freefonts. Diese werden auf Plattformen von Nutzern eingestellt, die eigenständig darüber entscheiden, wie die von ihnen kreierte Schrift lizenziert werden soll. Es ist also Vorsicht geboten: Nicht jeder Freefont ist auch frei von Kosten. Es kann sich auch um eine Demo-Version einer Schrift handeln oder eine ausschließlich privat nutzbare Schrift, die mit einer Creative Commons Lizenz behaftet ist. Die Plattformbetreiber distanzieren sich hierbei klar von jeglichen rechtlichen, allgemeingültigen Aussagen zu den Nutzungsbestimmungen der auf ihrer Plattform bereitgehaltenen Schriften. Jeder ist selbst dafür verantwortlich.
Neue Wege für Kreative
Trotz aller Unsicherheiten haben wir mit Freefonts schon eine Richtung eingeschlagen, in die wir uns im sozialen und zwischenmenschlichen Bereich schon weit vorgewagt haben: Das Teilen und Kommunizieren in sozialen Netzwerken. Wie wäre es, wenn Designer, Typographen, Gestalter und alle kreativen Menschen ein Netzwerk hätten, in welchem sich alles um Schriften dreht und sie gemeinsam kreativ sein könnten?
Die Antwort lautet: FontYou. Hier trifft man auf ein gänzlich neues Vertriebsmodell. Neben cloudbasierter Schriftverwaltung (was heute eher üblich ist und gar nicht so neu) und eigenem Shop bietet FontYou auch die Möglichkeit, aktiv an der Entwicklung neuer Schriften teilzunehmen. Man kann seine Ideen zu neuen Schriften in der Community teilen. Hierzu braucht man kein professioneller Schriftgestalter zu sein, man benötigt lediglich eine Idee. Diese kann man dann in einem eigenen Entwurf festhalten und einreichen oder direkt die FontYou Webanwendung zur Visualisierung der Ideen nutzen. Andere Communitymitglieder können diese Ideen dann einsehen und als Inspiration nutzen. Je detaillierter die Idee, umso höher die Provision, die man erhält, sollte die Schrift tatsächlich für FontYou umgesetzt werden. Auf der anderen Seite stehen Schriftgestalter, die mit den Ideen der Community neue Schriften entwickeln. Hier will man also Kreativität und kunsthandwerkliches Können zusammenbringen und eine Gemeinschaft schaffen, die genau die Schriften entwickelt, die ihren Bedürfnissen und der Zeit gerecht werden.
FontYou steckt noch in den Kinderschuhen und bietet vielleicht heute noch nicht jedes Feature, das wir von Schriftverwaltungsdiensten gewohnt sind, aber es bleibt abzuwarten, was sich FontYou noch einfallen lässt und wie dieses neue Konzept in der Kreativbranche ankommt.
Wir finden es spannend und freuen uns auf viele neue Ideen!
Autor: Vanessa Simon