Seit einigen Jahren hält der Nachhaltigkeitsgedanke auch in der Buchbranche Einzug. Dessen Relevanz kann nicht mehr bestritten werden. Trotzdem verläuft der Prozess eher zäh – begegnet der Mensch Veränderung bekannter Weise mit Trägheit und Skepsis. Gerade in Zeiten der Schnelllebigkeit schenkt ein gutes Buch einen wertvollen Moment der Entspannung. Das Gefühl, eine Seite nach der anderen umzublättern und in aufregende Geschichten einzutauchen, wirkt beruhigend und wohlwollend. Wer nachhaltig leben möchte, gerät hier allerdings in einen Zwiespalt, denn Nachhaltigkeit und Bücher stehen aufgrund der Art und Herstellung letzterer in gewissem Widerspruch. Die Frage ist also: Welche Möglichkeiten gibt es, dem Printmedium Buch treu zu bleiben und dennoch nachhaltig zu agieren?
Dass nachhaltiger Konsum vor allem in der Buchbranche noch äußerst rar war, das stellte auch Kay Hedrich nach langjähriger Arbeit in der Druckerei und seinem Studium („Buch- und Medienproduktion“ an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig), fest, woraufhin er 2018 den selbstständigen Verlag „Matabooks“ ins Leben rief. Ganz nach dem Prinzip ‚Mutter Natur gibt uns sehr viel – nun wollen wir etwas zurückgeben!‘, bietet der Verlag Interessierten die Chance, auf nachhaltige, faire und vegane Weise Bücher zu erwerben. Diese Grundidee floss auch in den Namen ein – „Mata“ bedeutet übersetzt nichts anderes als „Mutter“, ein Begriff aus der Heiligen Sprache der Inder, dem Sanskrit.
Aber was genau nützt es der Natur nun, wenn ich ein Matabook kaufe? Was ist daran so besonders?
Alternative Graspapier
Der Dresdner Verlag stellt vegane Bücher unter Verwendung von Graspapier her. Das bedeutet: Bis zu 50% der Zellstofffasern des Papiers stammen von Gräsern und nicht von Bäumen. Somit schiebt die Aufmerksamkeit sich von den Wäldern auf die Felder. Der Vorteil hierbei ist, dass Grasflächen, im Gegensatz zu Waldgebieten, in Deutschland ausreichend vorhanden sind, was vor allem kürzere Transportwege garantiert – und somit geringere Co2-Ausstöße. Bis zu 75% kann der Co2-Verbrauch insgesamt gesenkt werden, unter anderem dadurch, dass die Transportwege kaum mehr als 100 km betragen. [1]
Der Grasanbau erfolgt zudem auf Ausgleichsflächen – Flächen, die derzeitig nicht bewirtschaftet, sozusagen „frei“ sind, und die auf diese Weise effektiv genutzt werden können. Entscheidend ist, dass Graspapier die generelle Nutzung nicht einschränkt. „Matabooks“ hat dieses Potential für die Buchbranche entdeckt und mit seinem Konzept ein Buch entwickelt, das, trotz neuer Rohstoffnutzung und nachhaltiger Produktion auch den technischen Anforderungen der Buchherstellung entspricht.
Ganzheitlich nachhaltig
Doch nicht nur das Papier ist bei „Matabooks“ ökologisch abbaubar – genauso der Einband, die Druckfarbe und der Klebstoff. Alles ist sowohl vegan – also völlig frei von tierischen Bestandteilen – als auch recycle- und kompostierbar. Ganzheitlichkeit ist die Devise: die Bücher sollen ganzheitlich nachhaltig sein. Das bezieht sich nicht nur auf die Bestandteile des Buches, sondern vorwiegend auch auf die Produktion, die erheblich an Energie spart: während bei der Herstellung herkömmlichen Holzzellstoffs über 5000 Liter Wasser pro Tonne verbraucht werden, benötigt man für dieselbe Menge an Graspapier weniger als zwei Liter Wasser. Das bringt ein Energieersparnis von über 90%. [2]
Projekte wie „Matabooks“ zeigen, dass verschiedene Akteure der Verlagsbranche gewillt sind, ihre Güter nachhaltig zu gestalten. Warum erfolgt der Umschwung dennoch so schleppend? Eine Begründung könnte schlicht die Gewohnheit und Erwartungshaltung der Menschen sein. Die Erwartungen der Konsumenten an diverse Medienprodukte haben sich längst gebildet – sie sind regelrecht „eingerastet“. Daraus plötzlich auszubrechen, ist schwierig. Und benötigt vor allem eins: attraktive Alternativen, welche dem Menschen nicht das Gefühl geben, sich einschränken zu müssen.
Dem wirken jedoch zwei ausschlaggebende Faktoren entgegen, die sich in den letzten Jahren immer weiter gesteigert haben: Menge und Qualität. Alles muss in ausreichender Anzahl und in der gewünschten, bestmöglichen Qualität vorhanden sein, um den menschlichen Bedarf gebührend zu decken. Wir ärgern uns, wenn wir Produkte nicht auf der Stelle konsumieren können – an sofortige Bedürfnisbefriedigung sind wir gewöhnt. Das führt dazu, dass vieles in sehr großes Mengen hergestellt wird – im Hinblick auf die Nachhaltigkeit weniger ideal. Ebenfalls ein Aspekt, den „Matabooks“ bei der Herstellung ihrer Bücher aufgegriffen hat: Bücher werden nur dann produziert, wenn der Bedarf tatsächlich vorhanden ist. Das schließt aus, dass nicht gekaufte Bücher im Lager verstauben oder, wie Zeitschriften und Magazine, zurückgeschickt und nutzlos entsorgt werden.
Graspapier – die Zukunft der Buchbranche?
Ziel von „Matabooks“ ist es, den Gedanken der Nachhaltigkeit in der Buchbranche zu „pflanzen“. Genug Vorteile bietet Graspapier ja. Die größte Herausforderung stellt etwas ganz anderes dar: und das ist die Aufklärung der Leute, das Daraufhinweisen, dass es Alternativen gibt. Damit Graspapier sich neben Frischfaser- und Recyclingpapier tatsächlich in der Gesellschaft als gängige Papiersorte durchsetzen kann, bedarf es der Akzeptanz und der Nachfrage der Konsumenten, einem prinzipiellen Umdenken. Und nicht nur das Graspapier soll zu den Produkten finden, auch andersherum sollten die Produkte zu dem robusten Design des Graspapiers passen. Eine sofortige und komplette Umstellung wäre realitätsfern – insofern, dass voraussichtlich eher wenige Modemagazine ihre Models braun-gesprenkelt statt in Hochglanz auftreten lassen würden. Von diesen, bereits „verankerten“, ästhetischen Ansprüchen bestimmter Magazine abgesehen, sind umgekehrt jedoch auch viele Möglichkeiten vorhanden, das natürlich erscheinende Papier in die Gestaltung mit einzubeziehen. So gibt „Matabooks“ noch unbekannten Künstlern die Chance, ihr Kunstwerk auf dem Cover zu präsentieren. – Wenn sie denn zum Erscheinungsbild der Bücher passen. Insgesamt stoßen sie mit ihrer Idee dabei auf reichlich Anerkennung ihrer Kunden.
Und auch wir bleiben auf jeden Fall gespannt, was der naturfreundliche Verlag in Zukunft noch für Projekte für uns bereithält!
Artikel von: Luise Finsterbusch