Diversität ist in den letzten Jahren ein immer größeres Thema geworden, und das auch in der Buchbranche. Es geht darum, den Menschen aus vernachlässigten Randgruppen die Aufmerksamkeit zu gewähren, die ihnen bis dahin verwehrt geblieben ist.
Was ist Diversität?
Der ursprünglich aus dem Lateinischen stammende Begriff „Diversität“ bezeichnet das Konzept zur Anerkennung gesellschaftlich gesetzter Unterschiede – seien sie körperlicher, psychischer oder kultureller Natur – innerhalb eines sozialen Kreises. Beispiele dafür sind Merkmale wie:
- Hautfarbe
- Alter
- Geschlecht
- sexuelle Orientierung
- Behinderungen
- ethnische Herkunft
- Religion
- Weltanschauung
Stand das Wort vor einigen Jahrzehnten noch vorrangig für das breite Spektrum von Menschen mit verschiedenen Hautfarben, so hat es sich mittlerweile als ein Begriff für die Einbeziehung sämtlicher Randgruppen etabliert.
Wo hat die Diversität ihren Ursprung?
Es lässt sich nicht genau sagen, wann die aktiven Bemühungen um eine realitätsgetreue Darstellung von marginalisierten Gruppen begonnen haben. Diskrimination existiert schon seit Anbeginn der Menschheit, doch erst seit wenigen Jahrzehnten verschiebt sich der Blickwinkel in Richtung jener Randgruppen, die früher als „Witzfiguren” herhalten oder sich mit typischen Klischeerollen zufriedengeben mussten – die nicht immer zu ihren Gunsten ausgefallen sind. Gemeint sind alle, die nicht zu hundert Prozent der „Norm“ entsprechen. Wie sich diese Norm definiert, ist von Bereich zu Bereich unterschiedlich.
Es kann also angenommen werden, dass das Thema gar nicht so neu ist, wie viele glauben, und dass es nicht an Bedeutung verlieren wird. Diversität ist viel mehr als ein Trend, der nur ein paar Jahre anhalten wird: In der heutigen Zeit geben die Menschen sich immer größere Mühe, nicht über gutwillige Wissenslücken zu stolpern und stattdessen eine gelungene Repräsentation bestimmter Gruppen sicherzustellen.
Doch was hat das mit der Literatur für Kinder und Jugendliche zu tun?
Die „Anwendung“ von Diversität in Büchern
Betrachten wir dafür zuerst das Auftauchen von Diversität in Büchern jeglicher Art: Ist von Diversität in Romanen die Rede, dann meint man damit die Vielfalt in der Figurenbesetzung. Bücher jeder Literaturgattung bilden durch ihre Figuren eine Repräsentation gesellschaftlicher Gruppen, die von ihren LeserInnen aufgenommen, interpretiert und bis zu einem gewissen Punkt verinnerlicht werden. Immer mehr AutorInnen und Verlage bemühen sich deshalb darum, eine halbwegs passable Vielfalt in die Reihen der Figuren zu bringen – insbesondere in die der Hauptfiguren.
Ist dies zwingend notwendig? Nein, das nicht. Klischees, wie der schwule beste Freund, die nerdige Asiatin oder der übergewichtige Gruppenclown, sind Beweise dafür, dass erzwungene Diversität auch nicht unbedingt erstrebenswert ist. So wird beispielsweise seit Jahren debattiert, ob die ProtagonistInnen aus „Harry Potter“ nun dunkelhäutig sind oder nicht. Ein etwas deutlicheres Beispiel wäre die Percy-Jackson-Spin-Off-Reihe „Helden des Olymp“, deren Figurenbesetzung aus sieben Jugendlichen mit vollkommen unterschiedlichen Hintergründen besteht. Dort sind die kulturellen Einflüsse zu erkennen, ohne dass sie in den Fokus gerückt werden. Sie sind einfach da.
Eine gelungene Diversität in Geschichten macht die Menschen sichtbar, die für gewöhnlich an den Rand der Gesellschaft gedrängt und die dadurch gesehen und wahrgenommen werden. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass es nicht nur von Bedeutung ist, dass sogenannte „diverse characters“ überhaupt Erwähnung finden, sondern auch, dass sie nicht versehentlich auf stereotype oder gar beleidigende Weise beschrieben und charakterisiert werden. Mehr als einem/einer AutorIn ist diesbezüglich schon ein Fehler unterlaufen. Weitere Ausführungen würden jedoch den Rahmen des heutigen Artikels sprengen und sollen daher an dieser Stelle außen vorgelassen werden.
Die Wichtigkeit von Diversität in Büchern für Kinder und Jugendliche
Menschen werden von ihrem Umfeld beeinflusst, aber nicht nur das: Neben Familie und Freunden sind es insbesondere die konsumierten Medien, die eine Person in entscheidender Weise formen. Gerade bei jungen Menschen ist dies ein wichtiger Aspekt: Sie befinden sich noch in einer intensiven Entwicklungsphase, suchen nach Vorbildern und orientieren sich an deren Meinungen und Werten. Es liegt daher auf der Hand, dass die Menschen, die ihnen in diesen Medien begegnen, Anteil an ihrer individuellen Entwicklung haben: Prominente, PolitikerInnen, aber auch Figuren aus Filmen und Serien. Alle, die als Vorbilder zählen können – so eben auch die ProtagonistInnen in einem Roman. Für Jugendliche ist eine wiederkehrende Diversität in der Literatur besonders wichtig, um ein Bewusstsein und Verständnis für andersartige Kulturen und Lebensweisen zu entwickeln.
Junge Menschen treten in unterschiedlichster Manier auf; es muss daher auch Identifikationsangebote für diejenigen geben, die – leicht humorvoll ausgedrückt – keine helle Hautfarbe haben und heterosexuell sind. Dies klingt banaler, als es ist, besteht doch nach wie vor eine prozentual starke Disparität zwischen global erfolgreichen SängerInnen aus den USA und denen aus Asien. Oder zwischen schlanken SchauspielerInnen und übergewichtigen. Oder zwischen Männern und Frauen in der Politik.
Ab wann wird überhaupt von Diversität gesprochen?
Gehen wir noch einmal auf das Thema Figurenbesetzung ein: Es besteht die Frage, ab wann überhaupt von Diversität gesprochen wird. Ist der Cast einer Geschichte bereits dann vielfältig, wenn der/die ProtagonistIn einem blinden Mann über die Straße hilft, welcher danach nie wieder in dem Roman auftaucht? Werden gesellschaftliche Randgruppen bereits dann miteingebunden, wenn eine einzelne Ärztin mit Kopftuch in der Praxis erscheint und zwei Sätze sagt?
Es ist außerdem nötig zu erwähnen, dass nicht jedes Einflechten von marginalisierten Gruppenvertretern von Vorteil ist. Ein/e SchriftstellerIn kann behaupten, dass dieses und jenes notwendig für den Plot sei oder dass es seiner/ihrer Geschichte nur schaden würde, wenn er/sie eine dunkelhäutige Lehrerin seinen Protagonisten unterrichten ließe. Wie weit man da gehen will, ist jedem/jeder AutorIn selbst überlassen. Letztendlich reflektieren Bücher – und andere Medien – jedoch die Gesellschaft und üben Einfluss auf die Menschen aus, die sie konsumieren. AutorInnen sollten sich daher darüber im Klaren sein, was die Impulse ihrer Romane, die wiederum auf eigenen Idealen basieren, bewirken können.
Ähnlich verhält es sich mit den Verlagen, welche die Bücher publizieren. Jeder Verlag ist neben einem Wirtschafts- auch ein Kulturunternehmen; er übernimmt damit die Aufgabe, das Buch als Kulturgut zu erhalten und es neben der Unterhaltung auch als Mittel der Fortbildung zu verwenden. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den Themen, die in der heutigen Gesellschaft eine Rolle spielen. Kinder- und Jugendbuchverlage haben die Möglichkeit, ihren noch jungen LeserInnen ein positives Weltbild zu vermitteln – und mitunter auch ein positives Selbstverhältnis, sollten sich diese LeserInnen zu einer der eindeutig unterrepräsentierten Randgruppen zählen.
Zum Schluss: Ist Diversität bei fiktiven Figuren immer notwendig?
Figuren existieren in erster Linie, um Teil einer guten Geschichte sein – und nicht, um erzwungene Vielfalt hervorzurufen. AutorInnen sollten die Bücher schreiben, mit denen sie sich wohlfühlen. Einige berufen sich gern auf das, was sie kennen und selbst erlebt haben, andere wagen einen Blick über den Tellerrand hinaus. Es gilt dabei grundsätzlich: Jede/r AutorIn darf das schreiben, was er/sie möchte.
Tatsache ist jedoch, dass eine ausgeglichene Diversität heutzutage wichtiger wird, denn je. Der Kinder- und Jugendbuchbereich ist nur ein Beispiel von vielen. Die Figuren einer Geschichte dienen der Identifikationsmöglichkeit: Der/Die LeserIn folgt ihnen auf ihrer Reise, schaut ihnen bei ihren Entscheidungen über die Schulter und verarbeitet ihre Geschichte für sich. Figuren können ihre Leserschaft beeinflussen, und da diese mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht alle aus der gleichen sozialen Gruppe sind, müssen die Figuren das auch nicht sein.
Abschließend lässt sich also sagen: Diversität in der Literatur ist kein Muss und sollte unter keinen Umständen forciert werden – sie wird jedoch sehr befürwortet und gewinnt immer weiter an Bedeutung.
Autorin: Sophia Spahr
Textquellen:
Cally Stronk (2021): Kulturelle Vielfalt in Büchern. Online verfügbar unter: https://www.autorenwelt.de/blog/federwelt/kulturelle-vielfalt-buechern, zuletzt aufgerufen am: 25.05.2021
Luise Sammann (2021): Mehr Vielfalt in Kinderbüchern. Online verfügbar unter: https://www.deutschlandfunkkultur.de/diversitaet-mehr-vielfalt-in-kinderbuechern.976.de.html?dram:article_id=492549, zuletzt aufgerufen am: 25.05.2021
Stan F. Steiner (2016): Multicultural Literature: Reflecting Diversity in Literature for Youth. Online verfügbar unter: https://www.literacyworldwide.org/blog/literacy-now/2016/10/17/multicultural-literature-reflecting-diversity-in-literature-for-youth, zuletzt aufgerufen am: 26.05.2021
Surur Abdul-Hussain und Roswitha Hofmann (2013): Begriffserklärung Diversität. Online verfügbar unter: https://erwachsenenbildung.at/themen/diversitymanagement/grundlagen/begriffserklaerung.php, zuletzt aufgerufen am: 26.05.2021
Victoria Linnea (2019): Wie man Diversität in Romanen umsetzt. Online verfügbar unter: https://vickieunddaswort.de/wie-man-diversitaet-in-romanen-umsetzt, zuletzt aufgerufen am: 27.05.2021
Bildquellen:
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