Interview mit Dr. Bernd Buchholz, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus von Schleswig-Holstein
In einem unserer letzten Beiträge sind wir von Verlage der Zukunft bereits zu dem Schluss gekommen, dass Kultur ohne Buch unmöglich ist. Jetzt stellt sich die Frage, inwiefern sich das mit dem Buch als Wirtschaftsgut vereinbaren lässt und ob dergleichen auch für E-Books gilt.
Als ehemaliger Verlagsleiter des stern und Verlagsgeschäftsführer der stern/GEO-Gruppe sowie Vorstandsmitglied für das gesamte deutsche Zeitschriftengeschäft und Leiter von Gruner gestaltete und begleitete Dr. Buchholz die Buch- und Verlagsbranche.
E-Books werden als „buchähnlich“ betrachtet und unterliegen der Buchpreisbindung. Seit dem 18. Dezember 2019 gilt für E-Books derselbe Mehrwertsteuersatz von 7%. Würden Sie einem E-Book den gleichen Kulturwert zurechnen wie einem gebundenen Buch?
Ehrlich gesagt, für mich ist nicht die Form des Transportes wichtig […], sondern beim Buch ist doch der Inhalt entscheidend und ich mach das jedenfalls daran fest, dass ich in meiner früheren, verlegerischen Karriere auch für Zeitschriften zuständig war. Ich glaube, in digitalen Zeiten müssen wir einfach schlicht und ergreifend sagen „Ja“, das E-Book ist nichts anderes als eine andere Art der Verkörperung dessen, was wir sonst in Büchern haben, demnach finde ich die Gleichbehandlung durchaus berechtigt.
In der am 28. April 2016 beschlossenen Gesetzesänderung zur Buchpreisbindung heißt es: „Elektronische Bücher, die nicht als verlags- oder buchhandelstypisch anzusehen sind, wie beispielsweise von den Autoren selbst unter Nutzung spezialisierter Plattformen veröffentlichte elektronische Bücher, fallen nicht unter die Preisbindung.“ Wie kommt es zu dieser Ausnahme? Sehen Sie darin einen Wettbewerbsvorteil für Selbstverleger?
Die Diskussion um die Buchpreisbindung ist eine sehr lange und auch über viele Jahrzehnte kontrovers geführte Diskussion. Ist es eigentlich richtig im klassischen Buchmarkt noch eine Buchpreisbindung zu haben?
Sie wissen sicher, dass die Monopolkommission sich mit der Frage auseinandergesetzt und den Vorschlag gemacht hat, diese Buchpreisbindung insgesamt aufzugeben. Man war der Auffassung, dass das, was an Effekten der Buchpreisbindung zugesprochen wird, in Wahrheit gar nicht mit ihr erreicht werden würde bzw. auch ohne die Buchpreisbindung eintreten würde.
Man kann da unterschiedlicher Meinung sein. Wahr ist aber, aus meiner Sicht, dass die Buchpreisbindung, jedenfalls in Deutschland […] die Vielfalt des Buchmarktes tatsächlich fördert. Wenn ich mir Märkte ansehe, […] z.B. die USA, wo es keine Buchpreisbindung gibt, […] wird deutlich, dass es eine absolute Dominanz der Bestseller gibt.
Die Breite, die die Buchpreisbindung dadurch schafft finde ich schon gut, soweit bei aller Kritik der Buchpreisbindung. Bei der Buchpreisbindung muss ich sagen, es hat sich ein System bewährt.
Und jetzt übertragen wir das auf das E-Book, und die Frage des Transportes des E-Books, das nur als E-Book herauskommt. Habe ich da dieselben Themen mit Handelspartnern und dieselbe Vertriebssituation? Die habe ich in Wahrheit natürlich nicht so, da es über andere Plattformen läuft. Soweit ist eine Differenzierung durchaus angesagt. Auf der anderen Seite, wenn man tatsächlich die Inhalte in den Vordergrund stellt, müsste man in der Tat auch die E-Books so behandeln wie die Bücher selbst.
Sehen sie den staatlichen Eingriff in Form eines Preisbindungsgesetzes als wettbewerbsschädigend an?
Ein bisschen ist das schon so. Eingriffe in den Preiswettbewerb sind immer wettbewerbsbeeinflussend. Theoretisch, wenn man es rein marktwirtschaftlich betrachtet, sorgen sie in Wahrheit auch für höhere Preise. Letztlich ist es Kartell, das für denjenigen, der das Buch oder das Produkt vertreibt, sicherstellt, dass sein Preis überall im Markt durchgesetzt wird.
Da ist ein Wettbewerb des Handels über Preise nicht mehr möglich. Genau das ist gewollt. Der Unterscheid ist nicht mehr nach dem Motto: “Die Buchhändler unterbieten sich wechselseitig in den Preisen, sondern sie bieten ein unterschiedliches Angebot oder Auswahlmöglichkeit.”
Das hat in Deutschland zu einer Vielfalt von Buchhandlungen geführt, die auch nach wie vor, trotz Digitalisierung besteht […]. Da zeigt sich eben, dass der Inhalt des Buches mehr ist als eine Ware und durchaus mit Kulturgut zu tun hat, was es dann schon rechtfertig zu sagen „die Buchpreisbindung finde ich in Ordnung.“
Auf dem Buchmarkt ist eine Preissteigerung zu beobachten, dies liegt zum Teil an der sinkenden Leserzahl. So kostete die Obama Biografie „Ein verheißendes Land“ in der deutschen gebundenen Ausgabe 42€. Denken Sie, die Befürchtung, dass die steigenden Buchpreise weitere Kunden vom Buchkauf abhalten ist berechtigt? Gerade in der Hinsicht, dass das Buch ja ein Kulturgut für alle darstellt?
42 Euro für ein Buch ist schon eine ganze Menge. Aber es gibt ja die Möglichkeit, gegebenenfalls auch in einem buchpreisgebundenen Markt, die Inhalte anders wahrzunehmen. So kann man z. B. auf die Taschenbuchausgabe zu warten, wenn es die denn geben soll.
Wenn die Preissteigerungssituation dazu führen würde, dass bestimmte Schichten vom Konsum des Buches ausgeschlossen werden, müsste man auch neu über das Thema Buchpreisbindung nachdenken. Dann wäre es auch kontraproduktiv und prohibitiv an Bücher heranzukommen.
In meiner Zeit […] sahen alle Damoklesschwerter, die immer über dem Buch standen, wo man sagte „Das wird das Ende des Buches sein, wenn elektronisch noch dies und das dazukommt“. Das hat sich nicht als wahr erwiesen. In Wirklichkeit hat es immer weiter ein prosperierenden, sogar einen steigenden Buchmarkt gegeben.
Die Einführung des E-Books hat jedenfalls bei mir nicht dazu geführt, dass ich weniger lese, sondern dass ich sowohl haptisch als auch elektronisch mehr lese. Ich glaube es geht vielen Menschen so, die durchaus mehr lesen teilweise auch anders hören. Audiobooks spielen auch eine große Rolle, weil ich mir heute nicht mehr die Anstrengung der Leseleitung geben muss, sondern auch ein Buch vorlesen lassen kann. Anbieter wie Audible und andere sind am Markt interessante Spieler, die Hörbücher vertreiben.
Also, ”Ja”, wenn die Preise ganz hochgehen würden, ist schon abzusehen, dass es weniger Käufer dafür geben wird. Auf der anderen Seite zeigt sich, dass wir immer noch ein Buchabsatz haben, der sehr hoch ist und auch aus meiner Sicht so bleiben kann.
Gerade im wissenschaftlichen Bereich erfahren auch wir als Studenten hohe Preise, oft im Bereich von 50 bis 100€ pro Fachbuch. Sehen Sie darin einen Nachteil bis hin zu einer Informationsbarriere für einkommensschwächere Menschen, seien es jetzt Studenten, Interessierte oder auch Branchenteilnehmer?
Hohe Preise sind immer eine Hürde, zweifellos. Soll man den VerlegerInnen diktieren, ihre Preise geringer zu halten? Das ist eine schlimme Beeinflussung des Marktes, die oft dazu führt, dass man gar nichts mehr produziert, weil man sagt, es lohnt sich nicht mehr. Für die VerlegerInnen muss es sich ja auch rechnen.
Oder soll man dann nicht lieber die Individuellen in die Lage versetzen, die Kaufentscheidungen treffen können. Durch Unterstützungsleistungen oder durch abgesenkte Mehrwertsteuer oder andere Vehikel.
Wenn man nur davon ausgeht zu sagen, der Preis müsste geringer sein, wer würde es dann herstellen? Wenn die VerlegerInnen wegen geringerer Preise sagen, es ist viel teurer, solche Bücher zu produzieren, kann man diesen nicht verdenken, dass sie höhere Preise nehmen.
Die Frage ist gestattet, das sage ich als Wirtschaftsminister. Es gibt heute die Möglichkeit Print on Demand zu veranstalten […], um solche wissenschaftlichen Inhalte zu produzieren und an den Endkonsumenten zu bringen. Technischer Fortschritt wird dort eine Menge ausmachen.
Das vollständige Interview, geführt von Annika Stuff, der Leiterin unseres YouTube-Teams, finden Sie auf unserem YouTube Kanal.
Sollte die Buchpreisbindung aufgehoben werden? Findet Ihr die aktuellen Buchpreise angemessen? Hinterlasst uns gerne ein Kommentar!
Autorin: Lea Reich
Bildquelle: https://pixabay.com/de/photos/laptop-buch-informationen-online-819285/