Ein sonniger Tag in Berlin-Lichtenberg. Erste TeilnehmerInnen der Linken Medienakademie 2014 durchqueren den vor einigen Jahren zum modernen Brunnen-Rondell umgestalteten Innenhof der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW). Im Eingangsbereich werden sie von studentischen Hilfskräften begrüßt. Alle bekommen ihren persönlichen WLAN-Code, den sie diese Woche noch oft benutzen werden.
Heiß begehrt sind auch Informationen zum aktuellen Stand des Programms, das in diesem Jahr recht kurzfristig organisiert.wurde: Nach einem Wechsel der Geschäftsführung aufgrund interner Konflikte wagten der Vereinsvorstand und das studentische Team Anfang Januar einen Neustart und meisterten die Herausforderung, innerhalb von drei Monaten die komplette Workshop- und Vortragswoche mit über 200 Veranstaltungen und 100 DozentInnen vorzubereiten. Einige Kurse mussten ausfallen, aber die Mehrzahl fand bei insgesamt 500 Anmeldungen gut besucht statt. Auch die Podiumsdiskussionen mit zum Teil hochrangigen Gästen wie Peter Schaar, dem ehemaligen Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, konnten sich sehen lassen.
Meine Workshop-Woche begann mit einer klassischen Disziplin im Journalismus: dem Interview. Als Einstieg analysierten wir mit LiMA-Vorstandsmitglied Jörg Staude ein in der Süddeutschen Zeitung erschienenes Interview mit Constanze Kurz vom Chaos Computer Club. Dass das tatsächliche Gespräch nur die Rohfassung für den stilistisch überarbeiteten und umstrukturierten Text darstellt, konnten wir bei einem Vergleich dieses journalistischen Kleinods mit einem im Wortlaut abgedruckten Dialog feststellen. Als Lehrstück zum Thema Gesprächsführung sehr zu empfehlen.
Anschließend gab der Berliner Rechtsanwalt Matthias Bergt einen spannenden „Crashkurs Presse- und Medienrecht“. Hier ging es um den Unterschied zwischen Meinung (fiktiv: „Der Vortragsstil des Dozenten gefällt mir nicht“) und Tatsachenbehauptung („Schröder färbt sich die Haare“) und die möglichen rechtlichen Konsequenzen falscher Tatsachenbehauptungen. Außerdem erläuterte Bergt die Grundkonzepte von Privatsphäre und öffentlichem Raum. Spannend war auch sein Kommentar zur Frage, wie man von fotografierten Personen ordnungsgemäß die Erlaubnis zur Veröffentlichung von Fotos auf Facebook einholt: „Streng genommen ist dies gar nicht möglich. Datenschutz nach deutschen Vorstellungen existiert in den USA nicht. Die Bestimmungen von Facebook hierzu sind juristisch gesehen ein Schwarzes Loch, da keineswegs genau auszumachen ist, welche Verwendungszwecke sich Facebook für veröffentlichte Bilder vorbehält.“ Die Regeln des Presse- und Medienrechts betreffen übrigens nicht nur JournalistInnen, die in Print oder online veröffentlichen, sondern auch alle, die bloggen. Ihr möchtet euch sicherheitshalber nochmal schlau machen? Für Bergts nächstes Seminar im Juni gibt es noch Plätze.
Am nächsten Tag frischten ich und 19 weitere junge Medienmenschen unsere InDesign-Kenntnisse in einem Kurs bei Layout-Expertin Jacqueline Moschkau auf. Nach einer kurzen Einführung in die wichtigsten Grundfunktionen (inklusive Hintergründen wie dem Unterschied zwischen Raster- und Vektorgrafiken) setzten wir am eigenen Laptop kleine Aufgaben um und konnten im Lauf des 7-stündigen Workshops viele Detailfragen klären. Gut gelöst war, dass Workshops in den Stufen Basis, Aufbau und Pro besucht werden konnten, sodass der Stoff und die Übungen jeweils den Vorkenntissen der TeilnehmerInnen angepasst war.
Mein persönliches Highlight war Uwe Sievers’ Veranstaltung zum Thema “Wer kontrolliert das Internet?”. Der IT-Spezialist surfte schon im Internet, als selbiges noch kein World Wide Web war und einzelne Universitäten gerade erst begonnen, über interne Netzwerke hinaus zu kommunizieren. Einen kurzen Überblick zur Geschichte des Internets findet ihr hier. Im Seminar ging es u.a. darum, wie eigentlich so ein Datenpaket aufgebaut ist und über welche “Knotenpunkte” die Anfrage läuft, wenn wir z.B. eine Webseite in den USA aufrufen. Wer nach dem Einführungs-Video ein bisschen herumprobieren mag, findet hier Anregungen.
An Praxistauglichkeit kaum zu übertreffen war ein Pro-Workshop mit Katja Eichholz von der linken Tageszeitung Neues Deutschland. Sie gab uns nicht nur in einem Vortrag Einblick in das Content-Management-System ihrer Online-Redaktion. Wir durften uns auch selbst dort einloggen und anhand eines Praxisbeispiels die Herausforderung nachempfinden, eine tagesaktuelle dpa-Meldung unter Zeitdruck durch Ergänzen von eigenen Informationen, weiterführende Links und passendem Bildmaterial in einen spannenden Artikel zu verwandeln.
Auf all die tollen Rahmenveranstaltungen, die während der Workshop-Woche stattfanden einzugehen, würde den Rahmen dieses Blogbeitrags sprengen. Interessant war zum Beispiel die Podiumsdiskussion mit Vertretern der linken Tages- bzw. Wochenzeitungen aus Italien (Il Manifesto) und Frankreich (Politis), die von sehr erfolgreichen Crowdfunding-Kampagnen berichteten, die ihnen in wirtschaftlich bedrohlichen Zeiten eine Fortsetzung ihres medialen Engagements ermöglichten. Auf die Unterstützung einer kleinen Zielgruppe, die sich voll mit dem Projekt identifiziert, können MedienmacherInnen scheinbar bauen.
Die nächste Linke Medienakademie ist schon in Planung: Sie soll vom 16. bis 21. März 2015 stattfinden. Termin vormerken lohnt sich, denn DozentInnen mit so viel Fachwissen, Offenheit und Vermittlungskompetenz in Kombination mit Tages- und Wochentickets zu so erschwinglichen Preisen sind etwas Besonderes.
Autorin: Unica Peters