Armin Wirth: „Hyperdistribution statt redundante Datenpflege auf allen Kanälen“

Armin Wirth von Wirth & Horn
Armin Wirth (© by A.Wirth, privat)

1994 gründen Armin Wirth und Eckart Horn nach ihrem Informatik/Psychologie Studium die Wirth & Horn GmbH, die heute in München 14 Mitarbeiter beschäftigt. Wirth & Horn versteht sich als Dienstleister für die Verlagsbranche. Der Schwerpunkt liegt in der Content-Management-System – [CMS]-Entwicklung und der aktiven Unterstützung im Marketing. Zu den Referenzen von Wirth & Horn zählen u.a. Projekte mit dem C. H. Beck Verlag, dem DTV-Verlag, Langenscheidt-Verlag und dem Suhrkamp Insel Verlag. Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Electronic Publishing“ hielt Herr Wirth am 8. Dezember eine Gastvorlesung an der HTWK Leipzig und referierte über „Hyperdistribution – Intelligentes Content Management für Verlage“. Lesen Sie im Interview mit Armin Wirth, wo er die deutsche Verlagsbranche im Online-Geschäft sieht:

Herr Wirth, Sie leiten seit 1994 das Informationssysteme-Unternehmen zusammen mit Herrn Horn. Was genau sind Ihre Aufgabenfelder als Geschäftsführer?

Wirth & Horn ist bewusst ein kleines Unternehmen, so dass Herr Horn und ich in jedem Projekt involviert sind und aktuelle Themen, Lösungen, Ideen mit unseren Kunden, Projektleitern, Graphikern und Entwicklern diskutieren und entwickeln. Natürlich müssen auch wir neue Kunden akquirieren, aber mehr als 50% unseres Umsatzes machen wir mit der ständigen Pflege, Verbesserung und dem Umsetzen von Innovationen bei unseren bestehenden Kunden. Drei Projektleiterinnen, die Alltagsfragen mit den Kunden abstimmen, sorgen für eine gute Kundenzufriedenheit und geben uns gleichzeitig die Möglichkeit, dass wir uns um strategische Themen kümmern können. Die große Kunst liegt darin, alles zu begleiten, aber gleichzeitig verantwortungsvolle, selbstständige, engagierte Mitarbeiter aufzubauen.

Sie selbst besitzen einen Twitter-Account und nutzen Facebook täglich. Was glauben Sie, wie hoch der Anteil der Verlage ist, die sich und Ihre Werke viral vermarkten?

Ich habe keine aktuellen Zahlen recherchiert, aber ich gehe davon aus, dass es heute sicher mehr als 60-80% aller Verlage sein werden. Wobei die wirtschaftliche Bedeutung und auch Chancen für die kleinen Verlage sicher größer, deren freie Ressourcen hierfür aber leider nur sehr klein sind. In der Breite betrachtet, dürfte der wirtschaftliche Erfolg überschaubar sein.
Im Klartext: Alle machen ein bisschen was, wenige Highlights funktionieren, die Branchenprofis lesen sich gegenseitig, aber wie viele Externe lesen wirklich mit? Der wirtschaftliche Erfolg ist überschaubar, d.h. mehr Umsatz wird nur von denen generiert, die sowieso nur homöopathische Umsätze machen.

In wie weit sehen Sie die Online-Publikationskanäle als Marketinginstrument oder als Veröffentlichungsplattform für Verlage?

Die Bedeutung der Online-Publikationskanäle als Marketinginstrument haben heute sicher alle Verlage erkannt und nützen Sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Im Bereich der Veröffentlichungsplattformen muss man unterscheiden zwischen Publikumsverlagen und Fachverlagen und kreativen Ideen wie zum Beispiel bookriff.com. Für die Publikumsverlage werden die Umsätze über Online-Publikationskanäle auch für die nächsten 5-10 Jahre kaum 20% erreichen. Bei den Fachverlagen sieht das heute schon ganz anders aus. Hier werden in den nächsten 5-10 Jahren sicher 60-80% digital und online umgesetzt.

Welche Vorteile bietet die Vernetzung zwischen einem verlagsinternem CMS und einem WordPress-Blog? Was verstehen Sie unter Hyperdistribution?

Es gibt kein universelle Software Lösung für alle Aufgaben. Die Qualität einer Lösung, eines CMS, eines Redaktionssystems, einer Verlagssoftware definiert sich durch die Offenheit zu anderen Informationsquellen. Wir haben schon immer Informationen auf Dateninseln gesammelt (Word-Dokumentation, Excel-Kalkulationen, kleine Access- oder Filemaker-Datenbanken, Spezialsoftware vom Entwickler XY, Branchenlösungen wie Klopotek, Navision, Eddy, SVS,  und MAM Systeme wie Censhare, Noxum, MarkStein, .. etc.) Heute muss es unsere Aufgabe sein, ein paar wichtige Systeme zu identifizieren und sie sinnvoll mit Schnittstellen zu versehen, wie Brücken zwischen den Inseln, damit ein Mitarbeiter eine Aufgabe in einem System bearbeiten kann. Seine gepflegten Daten müssen aber allen anderen, relevanten Mitarbeitern und Systemen automatisch zur Verfügung stehen, sodass redundante Datenpflege entfällt und Freiraum geschaffen wird für neue Aufgaben. Freiraum für Innovation und Verbesserung bestehender Prozesse.

Für mich bedeutet der Begriff Hyperdistribution, dass eine Information automatisch in alle relevanten Kanäle verteilt wird, d.h. eine Newsmeldung auf der Startseite einer Verlagswebsite sollte sich automatisch auch beim zugehörigen Autor, beim zugehörigen Titel, auf einer Microsite über den Autor oder die Reihe, auf Facebook, auf twitter, im Blog des Autors usw. wiederfinden. Dasselbe gilt für alle Titeldaten und Autoreninformationen, Veranstaltungen, Leseproben, Blogbeiträge, Pressestimmen, Leserstimmen, Podcasts, Youtube-Videos, Apps und eBooks.

Ein paar Verlage haben schon begonnen, entsprechende Prozesse und Verknüpfungen Ihrer Systeme nicht zuletzt über Webservices aufzusetzen.

„Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben, und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer.“
Dies ist ihr Lebensmotto, frei nach Antoine de Saint-Exupéry. Wie lehren Sie den „Frauen und Männern“ in den Verlagshäusern die Sehnsucht vom endlosen Meer der Social-Media-Plattformen?

Also für mich sind die Social-Media-Plattformen nicht das endlose Meer, sondern ein paar kleine oder auch größere Inseln, manche vulkanischen Ursprungs (mit Geld von Investoren befeuert), manche – nicht wenige, auch große (Second Life) – gehen wieder unter. Die Verlage müssen herausfinden, zu welchen dieser Inseln sie reisen wollen, um dort Geschäfte zu machen. Und es werden immer neue Inseln dazukommen.
Wir bauen die Schiffe, um zu diesen Inseln zu kommen und reisen gemeinsam mit unseren Verlagen dorthin. Wenn wir uns treffen, erzähle ich von unseren Reisen und manchmal gelingt es uns, neue Schiffe zu planen und zu bauen, um mit ihnen neue Inseln anzufahren.

Welches Buch möchten Sie als nächstes lesen? Nutzen Sie ein digitales Lesegerät dazu?

Ich höre gerade „Freiheit“ von Jonathan Franzen als Hörbuch, begonnen auf der Autofahrt in meinen Weihnachtsurlaub. Ich lese Pflichtenhefte und Spezifikationen (PDFs) auf meinem iPad, manchmal ist es mein Radio oder auch Fernseher. Außerdem lese im Hardcover das neu erschienene Buch von Richard Bach „Der Pilot“ und vor Weihnachten habe ich im Taschenbuch den „Traumfänger“ von Marlo Morgan gelesen. Bücher begegnen uns auf vielen Wegen. Wir werden nach unserem Komfort entscheiden, wie uns welches Buch begleitet und wem wir es weiter empfehlen und schenken werden. Als Leser wünsche ich mir die freie Wahl und einen leichten Zugang.

Wagen Sie einen Blick in die Glaskugel. Womit beschäftigt sich der Verlag der Zukunft morgen? Geben Sie uns eine Prognose, wie man mit guter Literatur weiter Geld verdienen kann.

Mit Büchern. Nur reicht es nicht mehr, ein lektoriertes Manuskript drucken zu lassen und es beim Buchhandel abzuliefern, in der Hoffnung, bei der einen oder anderen Buchhandlung Geld und nicht die Remittenten zurück zu bekommen. Verlage werden mit wesentlich höherem technischem Aufwand deutlich weniger Geld verdienen und haben eine Chance, wenn Sie Ihre Prozesse optimal effizient gestalten, damit Sie möglichst viel Zeit in Ihre Autoren und (!) Leser investieren können.

Herzlichen Dank für Ihre informativen Antworten.

Das Gespräch mit Armin Wirth führte Kevin Göthling, Student der Buch- und Medienproduktion, im Anschluss an die Gastvorlesung.

mehr Informationen
[www.wirth-horn.de|Wirth & Horn|26.01.2011|13:03]

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