„Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern“, heißt es. Doch im digitalen Zeitalter könnte auch die
gedruckte Zeitung von heute bald ziemlich alt aussehen. Durch die schnelle und oft kostenlose
Verbreitung von Information im Internet ändert sich das Nutzungsverhalten. Die Auflagen der
Printtitel sinken. Welche Möglichkeiten haben Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, mit dieser
Situation umzugehen und ihre Produkte anzupassen?
Mit der smart digits GmbH berät Dr. Harald Henzler Medienunternehmen, Firmen und Aus- und
Weiterbildungseinrichtungen bei der Entwicklung und Umsetzung digitaler Publikationsstrategien
und publiziert im Blog www.smart-digits.com.
Im Interview mit Verlage der Zukunft erläutert er die Bedeutung crossmedialer Strategien im
Pressewesen.
1. Sie haben von einem „disruptive change“ in der Branche gesprochen. Können Sie
nochmals erklären, worum es sich dabei handelt und wie die aktuelle Situation ist? Mit
welchen Problemen sehen sich Presseverlage konfrontiert?
Mit „disruptive change“ wird die Veränderung eines Marktes bezeichnet
durch neue Technologien. Das Internet und die neuen Endgeräte wie Smart
Phones und Tablets verändern das Kundenverhalten und die -erwartungen.
Die Angebote der Verlage müssen sich deshalb auch ändern.
2. Welche Möglichkeiten zur Umsetzung crossmedialer Strategien gibt es?
Viele Wege führen nach Rom. Wichtig ist, dass man die Begrenzungen der
„alten“ Medien nicht auf die neuen überträgt. „Digital first“ ist
deshalb das richtige Motto, damit man die verschiedenen Medien auch
sinnvoll miteinander verknüpfen kann. So ist z.B. ein Text, der gedruckt
erscheinen soll, oft für das Lesen auf einem Smart Phone oder Tablet
nicht optimal aufbereitet. Umgekehrt ist das Problem viel geringer. Den
Text gleich für die verschiedenen Endgeräte zu schreiben, ist deshalb
geboten.
3. Was sind aus Ihrer Sicht gelungene Beispiele?
Die NYTimes hat z.B. jetzt ein Geschäftsmodell gefunden, das von mehr
Leuten akzeptiert wird als vorher. Die Inhalte sind so angepasst worden,
dass sie auf dem Smart Phone und dem Tablet besser lesbar sind und die
Art der Information auch besser zur Nutzungsituation passt.
Im Bereich Business to Business bietet beispielsweise Haufe eine Verknüpfung von
Datenbank, Applikation, Seminar und Zeitschrift an, die sich insgesamt
lohnt.
4. Wie gelingt es, das Image und die Glaubwürdigkeit eines Print-Titels in andere Medien zu
übertragen?
Indem man den Markenkern des Printtitels untersucht und den Grund, warum
ihn die Kunden mögen. Und dann versucht, die Bedürfnisse des Kunden über
das andere, neue Medium genau zu bedienen.
Gute Printtitel haben den Vorteil, dass sie schon das Vertrauen der
Kunden gewonnen haben. Sie strahlen Sicherheit und Verlässlichkeit aus.
In der Fülle der Informationen ist das ein hoher Wert. Wenn es gelingt,
diese Filterfunktion auch in den digitalen Medien gut zu erfüllen, ist
viel gewonnen.
5. Wird sich das Pressewesen langfristig ins Internet verlagern? In welchem Verhältnis stehen
Print und Online?
Langfristig wird einiges im Printbereich verschwinden. Der Gebrauch der
neuen Medien wird aber auch den Gebrauch der alten verändern. Viele
Dienstleistungen können auf digitalem Wege einfach besser erfüllt
werden, von der Erinnerung im Kalender über die Straßensuche oder die
vorherige virtuelle Besichtigung einer Wohnung. Hier bietet Print bald
für viele keinen Mehrwert mehr. So wie sich die Malerei und Bildhauerei
mit dem Eintritt der Fotografie auch gewandelt haben und natürlich nicht
(mehr) an ihrer Funktion gemessen werden, wie gut sie die Wirklichkeit
wiedergeben, so werden auch gedruckte Werke eine andere Funktion
übernehmen. Sie werden stärker Orientierung, Ruhe in der Flut der
Informationen bieten. Sicherheit und Abschalten können sind Bedürfnisse
der Kunden, die dazu passen.
6. Welche Rolle spielen mobile Endgeräte und Apps?
Sie werden wie oben gesagt viele Funktionen übernehmen, die bisher durch
die Zeitungen und Zeitschriften angeboten wurden. Und sie werden als
Trägermedium für dieselben immer relevanter.
7. Wie verändert sich die Arbeit der Redakteure? z.B. im Hinblick auf Schnelligkeit und
Aktualität?
Redakteure werden gar nicht so viel anderes machen als jetzt. Sie werden
nur die Nachrichten im Netz, die Fähigkeiten der Masse für sich nutzen
müssen. Sie sind Aggregatoren und sortieren die wichtigen von den
unwichtigen Nachrichten. Sie selektieren, wie schon immer. Nur dass sie
jetzt andere Werkzeuge brauchen und viele kritische und kostenlos
arbeitende Kollegen im Internet. Die ihnen auf die Finger schauen.
Gefragt sein wird ihre Fähigkeit der kritischen Prüfung und der
Einordnung in einen größeren Kontext. Denn das Bedürfnis nach
Orientierung wird nicht abnehmen, im Gegenteil.
8. Haben paid-content-Modelle eine Chance gegen die „Umsonstkultur“ im Internet?Welche Geschäftsmodelle könnten sich durchsetzen?
Sie haben dann eine Chance, wenn der Mehrwert deutlich gemacht wird.die schon vorhandenen, ander
Dieser kann im Inhalt liegen, aber auch in der einfachen Bedienung, der
Einbettung in en Informationsquellen, die
besondere Art der Aufbereitung für digitale Medien etc. etc.
Die Fragen stellte Marcella Melien