Die Buchpreisbindung – unnötiges Relikt aus der Vergangenheit oder unverzichtbare Regelung?

Autorinnen: Kristin Scharn, Mia-Theres Broda

Neben Tabakwaren und Mieten im sozialen Wohnungsbau sind Bücher eine der wenigen Waren, die in Deutschland preisgebunden sind. Ein Buch kostet also überall das Gleiche, egal bei welchem Händler man es kauft. Warum ist das eigentlich so? Was bedeutet das und ist das heute überhaupt noch sinnvoll?

Preisbindung

Bei dem Verkauf von preisgebundenen Produkten verpflichtet sich der Handel vertraglich, den vom Hersteller vorgeschriebenen Endverkaufspreis vom Endkunden zu verlangen. Dadurch ist kein Preiswettbewerb mehr möglich. Prinzipiell verbietet das Kartellgesetz allerdings die Preisbindung. Einige Produkte, wie beispielsweise Bücher, sind jedoch davon ausgenommen. Die Preisbindung ist hier sogar gesetzlich vorgeschrieben.

Buchpreisbindung

Das Buchpreisbindungsgesetz (BuchPrG) verpflichtet alle Händler dazu, Bücher zu den vom Verlag fest definierten Preisen zu verkaufen. Außer Büchern sind auch Musiknoten, Medienkombinationen, wie beispielsweise ein Buch mit beiliegender CD, kartographische Produkte und E-Books preisgebunden. Nicht preisgebunden sind unter anderem fremdsprachige (importierte) Bücher, Hörbücher und Kalender. Eine weitere Ausnahme bilden Zeitungen und Zeitschriften, welche nicht verpflichtend preisgebunden verkauft werden müssen. Dennoch werden sie aufgrund von brancheninternen Regelungen meistens preisgebunden verkauft. So sichert man die Presse- und Informationsfreiheit und gibt jedem die gleiche Chance an Informationen zu gelangen.

Nach Ablauf einer Mindestfrist kann die Preisbindung eines Buches vom Verlag aufgehoben werden. Der Händler kann dann einen eigenen Preis festlegen. Bücher mit Beschädigungen sind ebenfalls nicht mehr an die Buchpreisbindung gebunden. Solche Mängelexemplare sind durch einen Stempel zu kennzeichnen und können dann zu einem anderen Preis verkauft werden.

Historische Entwicklung

In Deutschland war der Buchhandel der erste Wirtschaftszweig mit einer Preisbindung. Diese entwickelte sich zur Verhinderung der Preisschleuderei, da es im 18. Jahrhundert zu verheerenden Preiswettbewerben mit rabattierten Büchern zwischen Buchhändlern in den Großstädten und Provinzbuchhändlern gekommen war. Um Unterstützung zu erhalten, traten zu dieser Zeit sowohl Buchhändler als auch Verleger dem Börsenverein bei. Der Börsenverein ist ein Verein zur Vertretung der Interessen des Buchhandels. Infolgedessen wurde 1888 die Preisbindung für Bücher mit Hilfe des Börsenvereins unter dem Vorsitz von Adolf Kröner eingeführt. Durch die sogenannte Krönersche Reform verpflichteten sich die Mitglieder des Börsenvereins dazu, Bücher zu den vom Verlag festgelegten Preisen zu verkaufen. Wer die Grundsätze dieser Satzung nicht einhielt, wurde nicht mehr beliefert und gegebenenfalls sogar vom Börsenverein ausgeschlossen. Ein Ausschluss konnte Mitglieder und Nichtmitglieder des Börsenvereins treffen, hatte meist fatale wirtschaftliche Folgen und konnte sogar zum Ruin des Händlers führen. Die Buchhändler und Verleger hielten sich an die Vorgaben und die Buchpreisbindung setzte sich schnell vollständig durch.

1903 ereignete sich der „Bücher-Streit“. Schon zuvor wurden die festen Preise kontrovers diskutiert und besonders von Bibliotheken, wissenschaftlichen Verlagen und Wissenschaftlern kritisiert. Der „Bücher-Streit“ wurde durch die Frage entfacht, ob Festpreise die Bücher teurer oder günstiger machen würden. Zudem wurde hinterfragt, ob die Verlage eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Büchern wollten und ob dies für sie gesamtwirtschaftlich wichtig sei. Außerdem wurden diverse Argumente gegen die Preisbindung vorgebracht. Die Ergebnisse der daraus resultierenden Verhandlungen waren Nachbesserungen im Preisbindungssystem, wie beispielsweise die Einführung von Rabatten für Bibliotheken und die Beilegung des Streits.

Durch die Einführung der Buchhändlerischen Verkehrsordnung und der Buchhändlerischen Verkaufsordnung wurde das Preisbindungssystem nachfolgend weiter gestärkt. Trotz einiger Schwierigkeiten und Kritik zur Zeit des Ersten Weltkrieges und der Inflation setzte sich die Preisbindung weiter durch. Zudem wurde sie bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges nur minimal verändert. Durch die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen nach dem Zweiten Weltkrieg und dem damit einhergehenden Zusammenbruch des Börsenvereins verlor die Satzung der Preisbindung ihre Gültigkeit. Auch wenn einige Besatzungsmächte sie eigentlich nicht genehmigten, wurde sie allerdings weiterhin in der Branche eingehalten. Als 1958 das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verabschiedet wurde, gewährte man der Preisbindung für Verlagserzeugnisse eine Sonderregelung. Dadurch durften Verlagserzeugnisse trotzdem preisgebunden verkauft werden.

1974 wurden Sammelrevers beschlossen, die es den Buch- und Zwischenhändlern ermöglichten, Sammelverträge abzuschließen. So konnten viele Einzelverträge gebündelt werden. Außerdem wurde ein grenzübergreifendes Sammelrevers zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz geschlossen. Nach dem Eintritt Österreichs in die EU in den 1990er Jahren, wurde eine kartellrechtliche Beschwerde gegen den grenzübergreifenden Sammelrevers bei der EU-Kommission eingereicht und 2000 folgte dessen Verbot. Deshalb benötigte man eine gesetzliche Neuregelung der Buchpreisbindung in Deutschland.

2002 wurde daraufhin das Buchpreisbindungsgesetz verabschiedet, welches bis heute mehrmals überarbeitet und aktualisiert wurde. Die erste Überarbeitung erfolgte 2006 und enthielt beispielsweise die Einführung von Räumungsverkäufen und Kennzeichnungspflicht für Mängelexemplare. 2016 wurden die bis dahin nicht preisgebundenen E-Books in das Preisbindungsgesetz aufgenommen. Zudem wurde eine Reimportklausel eingefügt, welche das Umgehen der Buchpreisbindung durch Reimporte verhindert. Zuletzt wurde das Gesetz 2021 aktualisiert.

Wiederkehrende Diskussionen über die Preisbindung

In den letzten Jahren kamen immer wieder Diskussionen darüber auf, ob die Preisbindung aufgehoben werden sollte. Der letzte große Aufschrei folgte 2018, nachdem die Monopolkommission (Beratungsgremium, welches die Bundesregierung unterstützt) in einem Gutachten zu dem Schluss kam, dass die Buchpreisbindung den Markt behindere. Doch warum genau sollte dies der Fall sein?

Nach Ansicht der Experten stünde der Schutz des Buches als Kulturgut im Gegensatz zum Interesse an einem freien Markt. Ihrer Ansicht nach gäbe es keine ausreichenden Belege dafür, dass die Preisbindung genügend kulturpolitischen Einfluss übe. Es wäre laut Experten aber fragwürdig, ob sich solche Belege finden lassen, und sie sehen die Buchpreisbindung daher als schwerwiegenden Markteingriff. Außerdem hielten sie es für wahrscheinlich, dass die EU die Buchpreisbindung in Bezug auf den grenzüberschreitenden Buchhandel für unvereinbar mit den geltenden EU-Regeln erklären würde. Solch ein Urteil würde der Kommission nach zu einem Wettbewerbsvorteil von ausländischen Unternehmen gegenüber dem inländischen Buchhandel führen.

Selbiges sei auch bei der Arzneimittelpreisbindung der Fall gewesen, bei welcher der EuGH geurteilt hatte, dass dieses nicht mit der in der EU geltenden Warenverkehrsfreiheit vereinbar wäre. Dieses Urteil bildete ursprünglich den Anlass des Gutachtens und dem damit verbundenen erneuten Aufflammen der Diskussion über die Buchpreisbindung.

Empörung aus der Branche

Die Aussagen der Monopolkommission schlugen in Fachkreisen hohe Wellen. Nach der Erscheinung des Gutachtens gab es seitens des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Widerspruch. In einer unmittelbar nach dem Gutachten folgenden Stellungnahme betonte der damalige Geschäftsführer Alexander Skipis, dass durch die Preisbindung keine Wettbewerbsbeschränkung entstehen würde, sondern es bestärke das Buch als Kulturgut und garantiere zudem „ein breites und vielfältiges Buchangebot“.

Des Weiteren kritisierte der Börsenverein, dass sich der Bericht der Kommission auf veraltete Studien beziehe und keine eigenen aktuelleren Erhebungen durchgeführt wurden. Der Vergleich mit der Schweiz sei ebenfalls fragwürdig, da die Schweizer Verlage 80% ihres Umsatzes auf dem deutschen Markt erzielen. Dagegen seien die Zahlen der Buchhandlungen jedoch zurückgegangen.

Die Sicht von Autor:innen

Auch Autor:innen sind davon überzeugt, dass die Buchpreisbindung überlebenswichtig für viele Buchhändler, aber auch für Autor*innen selbst ist. In einem Interview von Deutschlandfunk mit der Bestseller-Autorin Nina George prophezeite diese weitreichende negative Konsequenzen durch eine Aufhebung der Preisbindung. Sie schütze nicht nur das Buch als Kulturgut, sondern sorge auch für niedrige Preise. Wenn die Preisbindung aufgehoben würde, dann würden die Preise steigen. Kleinere Buchhandlungen unterliegen der Konkurrenz und die Programme der Verlage würden sich auf Bestseller beschränken. Dies würde die Vielfalt der Literatur einschränken, so George.

Ihrer Meinung nach sei der britische Buchmarkt ein gutes Beispiel. Seit hier die Preisbindung aufgehoben wurde, seien die Honorare für Autor:innen stark gesunken und die großen Ketten profitierten, wohingegen die inhabergeführten Buchhandlungen zu kämpfen hätten.

George kritisierte im Interview zudem, dass Autor:innen es ohne Preisbindung schwerer hätten ein Buch zu veröffentlichen, da die Verlage den Fokus dann vor allem auf Bestseller legen würden, die eine Erfolgsgarantie besitzen. Denn für kleinere Projekte würde das Geld fehlen.

Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Debatte um die Buchpreisbindung entwickelt und ob das Gesetz in Zukunft vielleicht reformiert wird. Was denkt Ihr über dieses Thema?

 

Quellen:

Börsenblatt (2018): Monopolkommission will Buchpreisbindung abschaffen. Online verfügbar unter: https://www.boersenblatt.net/archiv/1474127.html, veröffentlicht am 29.05.2018, zuletzt eingesehen am 14.09.2022.

Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V. (o.J.): Preisbindungsgesetz Deutschland. Online verfügbar unter: https://www.boersenverein.de/fileadmin/bundesverband/dokumente/beratung_service/politik_recht/buchpreisbindung/preisbindung/Wortlaut_Preisbindungsgesetz.pdf, zuletzt eingesehen am 11.09.2022.

Bundeszentrale für politische Bildung (2016): Preisbindung. Online verfügbar unter: https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-der-wirtschaft/20310/preisbindung/#:~:text=Durch%20Preisbindung%20soll%20der%20Preiswettbewerb,Verlagserzeugnisse%20wie%20B%C3%BCcher%20und%20Zeitschriften., zuletzt eingesehen am 11.09.2022.

Buzer (o.J.): Synopse aller Änderungen des Buchpreisbindungsgesetz am 01.09.2016. Online verfügbar unter: https://www.buzer.de/gesetz/1037/v200424-2016-09-01.htm, zuletzt eingesehen am 12.09.2022.

Deutschlandfunk (2018): „Buchpreisbindung wird uns einen fairen Wettbewerb garantieren“. Online verfügbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/buchhandel-buchpreisbindung-wird-uns-einen-fairen-100.html, veröffentlicht am 30.05.2018, zuletzt eingesehen am 14.09.2022.

Lehmanns Media GmbH (o.J.): Fragen und Antworten zur Buchpreisbindung. Online verfügbar unter: https://www.lehmanns.de/page/buchpreisbindung, zuletzt eingesehen am 11.09.2022.

Monopolkommission (o.J.): Sondergutachten 80: Die Buchpreisbindung in einem sich ändernden Marktumfeld. Online verfügbar unter: https://www.monopolkommission.de/de/pressemitteilungen/206-buchpreisbindung.html, zuletzt eingesehen am 14.09.2022.

Rechtsanwaltssozietät Fuhrmann Wallenfels Binder (o.J.): Preisbindung für Bücher. Online verfügbar unter: http://www.preisbindungsgesetz.de/content/info/1001-preisbindung-fuer-buecher.htm, zuletzt eingesehen am 12.09.2022.

Schulz, Christina (2003): Die Buchpreisbindung und ihre Wirkungen auf den deutschen Buchmarkt. Online verfügbar unter: https://m.diplom.de/document/222132, veröffentlicht im Mai 2003, zuletzt eingesehen am 12.09.2022.

Umlauf, Konrad/Pohl, Sigrid (2018): Eine kurze Geschichte von Buch und Buchhandel. Online verfügbar unter: https://libreas.eu/ausgabe34/umlauf/, zuletzt eingesehen am 12.09.2022.

Verch, Ulrike (2022): Alles was Recht ist: Das Buchpreisbindungsgesetz. Online verfügbar unter: https://reposit.haw-hamburg.de/bitstream/20.500.12738/13091/1/Verch_Buchpreisbindung.pdf, veröffentlicht am 30.06.2022, zuletzt eingesehen am 12.09.2022.

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