Für gute Bücher braucht es in einem Belletristikverlag vor allem eines: gute Autoren. Bei dem 2006 gegründeten „kunstanstifter“-Verlag hingegen stehen die Illustrator*innen im Vordergrund.
Denn der kleine unabhängige Verlag hat es sich zur Aufgabe gemacht, künstlerisch wertvolle Bücher zu verlegen. Dabei muss alles passen – die Qualität und Kreativität der Illustrationen, der Text und das Thema, die Ausstattung und Verarbeitung der Bücher und nicht zuletzt das menschliche Miteinander.
Der rote Faden des Programmes sind jedoch die Illustrationen. Es entstehen sowohl Kinderbücher, als auch Werke für Erwachsene – und oft sind es einfach interessante und außergewöhnliche Bücher, die für jeden geeignet sind, der sich darauf einlassen möchte.
Das vierköpfige Team verlegt nur zehn bis zwölf ausgewählte Titel im Jahr, diese sind dafür jedoch umso überzeugender.
Daher hat der Verlag in letzter Zeit auch immer häufiger Auszeichnungen und Preise für seine kleinen „großen“ Kunstwerke bekommen.
Trotz – oder gerade wegen – der Schnelllebigkeit und dem überwältigenden Medienangebot heutzutage, hat der „kunstanstifter“-Verlag es erfolgreich geschafft, sich mit illustrierten Büchern durchzusetzen, ohne sich Gedanken um e-Books, Wattpad und Netflix zu machen.
„Es kommt für uns nicht infrage, unsere Bücher zu digitalisieren“, sagt Suse Thierfeld – Verlegerin und Programmgestalterin – dazu. Sie hat sich die Zeit für ein Interview genommen und uns neun Fragen rund um den Verlag, die Branche und das Publizieren beantwortet.
Wie hat sich die Verlagsidee mit der Illustration als „roten Faden“ entwickelt? Warum Illustration? Welche Motivation steht dahinter? Welches Ziel verfolgen Sie damit?
Wie so vieles im Leben, war auch dies reiner Zufall (oder eben Schicksal?). Der Verlagsname sagt es schon: wir wollten „künstlerische“ Bücher machen. Nach dem ersten illustrierten Buch im Jahr 2009 war es wie ein Schnellballsystem, ein Illustrationsprojekt folgte dem anderen und plötzlich waren wir mittendrin in der Materie. Und es hat uns Spaß gemacht und sich richtig angefühlt.
Wie würden Sie als Verlegerin die derzeitige Situation in der Buchbranche beschreiben?
Schwierig, aber nicht verloren. Es gibt für kleine Verlage mit einem außergewöhnlichen Programm immer noch eine Zielgruppe, die auch wachsen kann. Und es gibt tolle Buchhändler, die solche Programme suchen und unterstützen.
Welche Bedeutung schreiben Sie außergewöhnlich illustrierten Büchern innerhalb der Buchbranche zu? Würden Sie sagen, dass diese zugenommen hat?
Deren Bedeutung steigt, meine ich. Wir kleinen Verlage mit außergewöhnlichen Büchern müssen nur durchhalten… Wir besetzen eine Nische, die immer mehr Beachtung findet. Dies merken wir an zahlreichen sehr schönen Rezensionen in den herkömmlichen, ebenso wie in den digitalen Medien, sowie an den aufmerksamkeitsbringenden und interessefördernden Auszeichnungen.
Mit welchen kommenden Herausforderungen sollte gerechnet werden? Empfinden Sie e-Books als Konkurrenz oder ist das ein komplett anderer Markt?
Für uns ist dieser Markt mehr oder weniger uninteressant. Es kommt für uns nicht in Frage, unsere Werke zu digitalisieren. Dann könnte man ja gar nicht mehr die Ausstattung fühlen und die wunderbaren Zeichnungen in seiner Papierform erleben. Auf die Haptik unserer Bücher legen wir sehr großen Wert. Aber im Sach- und Fachbuchbereich sieht die Sache natürlich schon anders aus.
Der „kunstanstifter“-Verlag hebt sich mit seinen skurrilen Illustrationen vom Mainstream ab. Auf Ihrer Webseite schrieben Sie dazu: „Zugegeben, der Buchhändler oder Rezensent hat es nicht immer leicht mit uns!“ Welche Erfahrungen haben Sie in diesem Zusammenhang gemacht?
Na ja, manche haben eben einen anderen Geschmack oder lassen sich nicht so auf das Werk ein. Illustration ist eine emotionale Geschichte, sie packt dich oder eben nicht. Aber wenn nicht, ist es auch okay. Ich bin froh, wenn wir keine Gefälligkeiten raushauen. Es wäre auch gruselig, wenn alle immer alles toll fänden von uns. Die Illus in unserem Kinderbuchprogramm sind eben nicht rosa-blassblau in Bilderdruck Hochglanz. Das mögen nicht alle Mamis. Und die kaufen bekanntlich für ihre Kinder.
Der Buchhändler hingegen weiß oft nicht, wo er unsere Werke in seinem Laden hinstellen soll. Oft haben wir Werke, die für Kinder und Erwachsene gleichermaßen funktionieren.
Wir geben auch bewusst keine Altersangabe an und das macht es natürlich schwierig. Aber der gute Buchhändler weiß in der Zwischenzeit schon, was er von uns zu erwarten hat und wem er was anbieten kann.
Mehrere Auszeichnungen für bei ihnen erschiene Werke zeigen, dass Ihre Arbeit große Anerkennung findet! Welche „unmittelbaren“ Reaktionen von Kindern und Erwachsenen können/konnten Sie beobachten, wenn diese Bücher des „kunstanstifter“-Verlages betrachten? Welche Resonanz bekommen Sie?
Unmittelbar Erfahrungen zu sammeln ist für uns schwierig, aber auf Messen können wir erkennen, dass die Leser erstmal begeistert sind, uns entdeckt zu haben und sich oft vor Ort in die Werke vertiefen. Die Reaktion kann Lachen oder auch Weinen sein. Das berührt uns.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Ihren Illustratoren/Autoren? Worauf legen Sie dabei besonderen Wert?
Menschlichkeit. Professionalität. Die Chemie sollte stimmen und das tut sie in den allermeisten Fällen. Ansonsten können wir ein Projekt auch absagen, wenn es auf der menschlichen Ebene nicht funktioniert, trotz Qualität oder Ruf des Illustrators.
Wie machen Sie die Buchhändler (und auch die Käufer) auf Ihre verlegten Bücher aufmerksam?
Die branchenüblichen Kanäle: Verlagsvorschau, Vertreter, Messen, wenig Anzeigen und soziale Netzwerke wie Facebook und Instagram.
Welche Pläne verfolgen Sie für die Zukunft? Gibt es bestimmte Ziele, die Sie gern erreichen wollen?
Nö. Keine Ziele. Wir wollen einfach so weitermachen. Es gibt so tolle Projekte für die Zukunft und wir freuen uns darauf, wenn wir sie realisieren dürfen und wenn es weiterhin Leute gibt, die gerne mit uns arbeiten.
Das Interview zeigt, wie vielfältig Verlagstätigkeiten angegangen werden können; so erfordert die zunehmende Präsenz digitaler Medien nicht unbedingt deren Einbezug bei allen Projekten.
Dass mit einem Buch, egal welcher Art, der Geschmack jedes Lesers getroffen wird, ist schlichtweg unmöglich. Dennoch gilt es für viele Verlage – vor allem im publizistischen Bereich – die Interessen der größtmöglichen Zielgruppe abzufassen. Wirtschaftlich gesehen ein schlauer, in den meisten Fällen auch notwendiger Gedanke. Schließlich bringt alles, das sich verkaufen lässt, Geld in die Kasse, und nur mit durchgängigem Gewinn können Verlage und Buchhändler auf dem dynamischen Buchmarkt bestehen.
Doch mit dem Wunsch, so viele Menschen wie möglich zu erreichen, wächst das Risiko – und somit auch die Angst – Produkte auf den Markt zu bringen, die „anecken“ und nicht dem durchschnittlichen Erwartungsbild der Rezipienten entsprechen könnten.
Was hingegen schrumpft, ist genügend Freiraum für Vielseitigkeit, ein Lebensraum jenseits der Bestsellerliste.
Diesen auszubauen – und nebenbei künstlerisch zu gestalten – hat der „kunstanstifter“-Verlag sich zum Ziel gesetzt. Wie Suse Thierfeld im Interview sagte: „Es wäre auch gruselig, wenn alle immer alles toll fänden von uns.“- Manchmal ist es genau das, was stöbernde Menschen suchen; etwas, das sie innehalten, stutzen oder schmunzeln lässt, gerade weil sich das betrachtete Werk auf skurrile Weise von ihren Erwartungen abhebt – und sie überrascht.
Artikel von: Pauline Braune und Luise Finsterbusch