1.) Die Anteile des eBusiness stiegen in den letzten Jahren bei allen Verlagen, aus den USA erreichen uns alarmierende beziehungsweise verheißungsvolle Zahlen was den eContent angeht – wie wählt man in neuen Geschäftsfeldern die richtigen Controlling Tools aus, wie passt man sie an und welche Stoplersteine gibt es?
Grunde genommen stehen hier die meisten Verlage vor einem Dilemma. Die meisten neuen Geschäftsmodelle rechnen sich ex ante nicht. Da gibt es dann zwei Möglichkeiten. Entweder schummeln – Kosten zu niedrig ansetzen und/oder Erlöse etwas übertreiben. Oder Projekt nicht machen.
Die erste Variante ist grundsätzlich nicht zu empfehlen, die zweite nur teilweise. Denn: irgendwie sollten die Verlage schon mitmachen an neuen Entwicklungen. Eine Methode ist nun, eher qualitative Aspekte wie Lernerfahrungen, Reaktionsfähigkeit, Reputation, neue Kundenkontakte einzupreisen. Das ist sehr mühsam. Daher macht es fast niemand. Die zweite Möglichkeit besteht darin, die Optionen, die ein Verlag in der Zukunft durch heutige Entscheidungen und Handlungen hat, zu berücksichtigen. Das macht zum Beispiel der Real Options Ansatz. Auch dieser Ansatz hat bisher keine große Verbreitung in der Verlagswelt gefunden. Eine dritte Variante ist, ein Budget festzulegen, dass investiert werden kann und im Falle des Misserfolgs den Verlag nicht umbringt. Dieses Konzept nennt man „Affordable Loss“-Konzept. Damit verbunden ist ein ständiges Suchen nach Kosteneffizienz und nach neuen Erlösquellen. Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Art des Arbeitens zu besseren Resultaten führt, als wenn man nur auf klassische Investitionsrechnungen baut.
Meine Empfehlung für ein praktisches Vorgehen ist: 1. Erstellen eines detaillierten Business Plans mit klarer Herleitung der Erlöse (unter Berücksichtigung von z.B. conversion rates, etc.) und der Kosten (insbesondere Differenzierung von Investitionskosten und laufenden Kosten im Betrieb); 2. Erstellen von verschiedenen Szenarien auf Basis des Business Plans; 3. Erstellen einer Investitionsrechnung nach der Kapitalwertmethode 4. Festlegung des maximalen Budgets, das investiert werden kann und soll (Affordable Loss); 5. Aufbau eines regelmäßigen Reportings in einer Taktung, die dem Geschäftsmodell angemessen ist; 6. Etablieren eines Prozesses zur kontinuierlichen Anpassung des Geschäftsmodells an veränderte Bedingungen (z.B. Suchen von Kosteneinsparungen durch neue Lieferanten/Technologien, Suche nach neuen Erlösmöglichkeiten, Best Practise). hier
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2.) Die Suche nach neuen Erlösmöglichkeiten ist eines der Kernthemen der sich wandelnden Medienbranche. Die Krux an denen ist es aber wahrscheinlich, dass der Mangel an Erfahrungswerten Voraussagen fast unmöglich macht.
In welchen Bereichen gibt es schon verlässliche Zahlen?
Die Suche nach neuen Erlösmöglichkeiten klingt für mich wie die Suche nach den Bestsellern im physischen Bereich. Bisher ist es noch keinem Verlag gelungen, nur Bestseller zu produzieren. Alle wissen, wie viele Flops produziert werden, bis mal ein Bestseller dabei ist. Genauso ist es im eBusiness. Nur dort will sich niemand auf diesen Prozess einlassen. Das Internet bietet jedoch eine nahezu grenzenlose Flexibilität und damit eine hervorragende Möglichkeit, neue Ideen und Produkte auszuprobieren und dabei eine Menge an hilfreichen Daten zu generieren, die uns in die richtige Richtung lenken können – und das mit vergleichsweise niedrigen Investitionen. Es geht meiner Meinung nicht darum, zu schauen, wo es schon verlässliche Zahlen gibt – diese Bereiche wie beispielsweise der eCommerce sind ohnehin schon gut besetzt – sondern darum, möglichst rasch eigene Daten zu den eigenen Ideen zu sammeln und damit zu arbeiten. Dann werden oft die kleinen Ideen sehr wirkungsvoll.
3.) Sagen sie uns bitte drei von diesen kleinen, wirkungsvollen Ideen, die Ihnen in der letzten Zeit begegnet sind?
Spontan fällt mir da ein Nischen-Anbieter ein, der Netzwerk Auditorium Verlag. Dieser Verlag konzentriert sich auf audio-visuelle Veröffentlichungen im Bereich Psychologie. Das Konzept ist ganz einfach: Möglichst viele Aufnahmen von Vorträgen, Workshops, etc. veröffentlichen, produziert wird nur auf Bestellung, d.h. kein Lageraufbau, auf jeglichen Schnick Schnack wird verzichtet (manchmal kommen die CDs in der billigen Papiertüte), fast alles wahlweise auf MP3, CD oder DVD, günstige Preise mit permanenten Aktionen, intensives Marketing, vorwiegend im Internet und Verkauf hauptsächlich im eigenen Internet-Shop. Hier ist einmal wieder die komplette Wertschöpfungskette in einer Hand, und den Kunden wird genau das geboten, was sie suchen – nicht mehr und nicht weniger.
Ein grundsätzlicher Punkt ist: Wie schwer mache ich es dem Kunden, mein Angebot zu kaufen? Aus meiner Sicht ist es zum Beispiel nicht mehr zeitgemäß, dass sich ein Kunde anmelden muss, um in einem e-commerce-Shop etwas zu kaufen. Ich kann ja auch in einen Laden gehen, ohne ein Passwort an der Tür einzugeben. Viele Shops haben das inzwischen gelernt.
Ein weiterer grundsätzlicher Punkt ist: Ich muss dem Kunden die Möglichkeit geben, zu wählen. Wenn ich ein eBook nur als pdf anbiete, ist die Wahl nur „kaufen“ oder „nicht kaufen“. Sobald ich Zusatzfunktionen anbiete, kann ich den Käufer wählen lassen zwischen verschiedenen Möglichkeiten. Das ist immer viel besser, allerdings muss ich den Kunden bei seiner Auswahlentscheidung an die Hand nehmen, d.h. ich muss ihn zu seiner Entscheidung führen und darf es nicht dem Zufall überlassen, ob der Kunde „sein“ Produkt findet oder nicht. Man nennt das „Entscheidungsarchitektur“: Man schubst den Kunden zu einer erfolgreichen Entscheidung. Das machen z.B. die Mobilfunkanbieter sehr erfolgreich, leider eher zu ihrem Vorteil als zum Vorteil der Kunden.
Vielen Dank für den Moment – 2be continued.
Franz Steinbild, Controller und Coach, ist auch Dozent unseres Partners, der Buchakademie. Dankenswerterweise steht er uns Rede und Antwort zu den komplexen und spannenden Fragen um das eControlling. Weiterführend dürfen sie natürlich hier auch gestellt werden! Das nächste Seminar mit ihm ist die Summer School der Buchakademie in München, das er gemeinsam mit Prof. Dr. Patrik Berend und Robert Schefenacker abhält.