Interview mit Peter Kürsteiner (Kürsteiner Consulting)
Ankündigung: Akademie des deutschen Buchhandels bietet Seminar über Whiteboards an
Soviel ist sicher: Die digitale Revolution im Klassenzimmer ist nicht mehr aufzuhalten. Apple flutet den deutschen Schulbuchmarkt mit e-books für das iPad, die Unterrichtsinhalte multimedial aufbereiten. Mehr ist eben auch mehr – mithilfe von Videoclips, Animationen, Lernspielen & Co. soll zukünftig der Spaßfaktor erhöht und der Lernprozess individualisiert werden. Die Kids von morgen werden im Ranzen kaum noch ein Mathematikbuch zur Schule tragen – das Hardcover zu schwer, die Inhalte zu trocken. Doch was passiert hinter dem Lehrertisch? Auch die klassische Schiefertafel hat ausgedient, die Zukunft gehört den Whiteboards. Die digitale Tafel hält Einzug an deutschen Schulen, die Nachfrage nach entsprechender Software steigt.
Im Rahmen eines Seminars der Akademie des deutschen Buchhandels führt Peter Kürsteiner am 18.04.2012 von 10.00-17.00 Uhr in München den Crashkurs Interaktive Whiteboards – Digitale Tafeln erfolgreich einsetzen durch. Er wird seinen Zuhörern Tipps und Tricks zur erfolgreichen Aufbereitung Lehrplan-konformer Inhalte geben. Die Veranstaltung richtet sich an „Fach-und Führungskräfte aus (Schulbuch-)Verlagen und anderen Unternehmen, die sich einen kompakten Überblick über die Einsatzmöglichkeiten von interaktiven Whiteboards verschafften möchten“.
Verlage der Zukunft sprach mit dem Experten über die aktuelle Lage:
Was ist das Besondere an Whiteboards und welches Potenzial bieten sie den Verlagen?
[> PK] Interaktive Whiteboards bieten den Verlagen völlig neue Möglichkeiten bei der Erstellung von Lern- und Lehrmedien. Die Tafelbilder werden nicht mehr direkt im Unterricht und nur durch den Lehrer erstellt, sondern können vorgefertigte Elemente, Bilder, Videos, Animationen, Erläuterungen, Notizen und vieles mehr enthalten. Lehrer können diese Tafelbilder entweder selbst erstellen oder sie verwenden Hilfsmittel von Verlagen oder anderen Kollegen. Außerdem können die Kinder auch selbst die interaktiven Whiteboards nutzen. Verschieben, Freirubbeln, Zeichnen, Videos starten und vieles mehr bereitet mehr Freude als das Schreiben mit der Kreide auf einer Schiefertafel. Board-Folien (Tafelbilder) der letzten Stunde können leicht wieder als Wiederholung verwendet werden.
Ersetzt die Whiteboard-Software das Schulbuch oder bilden sie eine Einheit?
[> PK] Weder noch. Interaktive Whiteboards ersetzen teilweise die bisherigen Tafeln. Die Schulbücher werden in der nächsten Generation meiner Meinung nach größtenteils durch Tablet-PC´s ersetzt werden. Dann werden Tablet-PC´s mit den Whiteboards und einem entsprechenden Portal im Hintergrund zusammen eine Einheit bilden. Schulbücher werden in einigen Jahren nur viel geringer vorhanden sein. Nur bei sehr traditionell geführten Schulen wird es noch eine Generation länger dauern, bis sich dies umstellen wird.
Whiteboards werden hauptsächlich an Schulen benutzt. Ist das Einsatzgebiet hiermit ausgeschöpft oder gibt es noch weitere Möglichkeiten? Wie schätzen Sie das Interesse von Verlagen außerhalb des Schulbuchbereichs ein?
[> PK] Der Markt beginnt sich mehr und mehr in Richtung Industrie zu drehen. Förderprogramme für Schulen sind ausgereizt und die Unternehmen entdecken inzwischen auch die Vorteile der interaktiven Whiteboards. Teamsitzungen mit zwei Boards an verschiedenen Standorten sind beispielsweise sehr nützlich. Führungskräfte werden hier ganz neue Anforderungen erleben. Verlage könnten Software und Content für Unternehmen anbieten.
Apple plant mit der iTunes-U-App, Schulbücher auf das iPad zu bringen – wird das den Einsatz von Whiteboards zukünftig beeinflussen?
[> PK] Ja – und zwar ergänzen. Die Software bietet den Lernenden und den Lehrenden eine sehr gute Ergänzung. Das ganze Bildungswesen wird sich hier drastisch umstellen. Die völlig veralteten Methoden des Frontalunterrichts werden sich endgültig verändern müssen. Kinder sind den Lehrern heute schon in der Anwendung der modernen Medien voraus. Lehrer werden ihre Rolle als Wissensvermittler mehr und mehr verlieren, je mehr Fachwissen über andere Medien verfügbar ist und vor allem auch spannend präsentiert wird. Der Lehrer wird zum Bildungsmanager/ Moderator. Die Binnendifferenzierung im Unterricht wird durch individuelle Kompetenzpässe der Schüler und hilfreiche Software und Portale zur Dokumentation des Lernfortschritts endlich leichter kontrollierbar. Und wenn Deutschland ganz innovativ ist, wird es sich von der Schulpflicht später auch noch zur Bildungspflicht entwickeln.
Bis jetzt scheinen Whiteboards an deutschen Schulen nur gelegentlich genutzt zu werden. Bleibt das Whiteboard etwas „für die besondere Unterrichtsstunde“ oder wird es langfristig die herkömmliche Tafel ersetzen?
[> PK] Lehrer sind damit noch teilweise überfordert. Das kommt, weil die Schulen zwar ein oder mehrere Boards kaufen, aber sich über die Schulung der Lehrer wenig Gedanken machen oder hier keine Budgets zur Verfügung stellen. Manche Lehrer sind auch selbst nicht so lernwillig und/oder nicht so technikaffin und nehmen sich selbst nicht die Zeit, um sich eigenständig mit den Boards zu beschäftigen. Ein Bildungsinstitut hat die Boards sogar wieder abgebaut, weil sie keiner verwendet hat. Das ist echt das schlimmste Beispiel, was ich kennen gelernt habe.
In guten Bildungseinrichtungen wird in die Weiterbildung der Lehrer investiert und dann auch aktiv dafür gesorgt, dass die Lehrer ihre Lernmedien untereinander austauschen. Dann macht die Nutzung des Boards richtig Freude und bereichert den Unterricht – sowohl für den Lehrer als auch für die Kinder.