Gestern und heute fand in der Leipziger School of Media eine Fachtagung statt, die Licht bringen sollte in die dunklen Hinterzimmer journalistischer Abgeschiedenheit: „… an jedem Desk einen Social Media-Journalisten, der die Verbindung zur ‚Community‘ hält – in die Community hinein und aus der Community heraus. Weiterhin arbeitsteilige Redaktionen mit Profis einerseits für das Schreiben und andererseits für das Publizieren von Content. Und den ständigen Relaunch!“ Aber der Reihe nach:
Die Anforderungen an Zeitungs- und Zeitschriftenjournalismus änderte sich mit dem Aufkommen erster Social-Web-Komponenten wie Blogs und Vlogs gewaltig. Während der bloße „Besitz“ einer Nachricht jahrhundertelang das Kapital des Informationsjägers in seiner Nachrichtenhoheit war, verkehrte das Aufkommen des Mitmach-Internet die Regeln völlig: Heute wissen alle von allem zu viel und das auch noch lange bevor ein Printartikel auch nur konzipiert und geschrieben, geschweige denn gedruckt werden kann. Heute gewinnen nicht mehr der oder die im Besitz einer Information Befindliche, sondern diejenigen, die mit der Information das Richtige anzufangen wissen – die, die a) über ein weitläufiges Netz an Verteilstrukturen verfügen, b) über genügend Stamina, um aus der bloßen Information tiefgreifendes Wissen zu entwickeln und die c) in der Lage sind, diese Fertigkeiten in kollaborativen Arbeitsstrukturen gemeinsam, aufeinander abgestimmt und langfristig anzuwenden. (Christian Liechti von der Berner Zeitung: „Um eine Community aufzubauen, brauchen Sie einen langen Schnauf.“) Fälle der Exklusivität können im Verteil-Internet vernachlässigt werden und so beantwortet sich die Frage, nach den neuen Spielregeln recht einhellig: gefragt sei der, „der ständig alles in Frage stelle!“ Man brauche „Leute, die wissen wie man sich im Mitmach-Internet bewegt“ und weiter: „Es gibt einen Bedarf an Social Media Redakteuren.“
Sich verändernde Berufsbilder soweit das Auge reicht, pipettiert eintröpfelnde Einsichten allerorten und schließlich hüben wie nüben die gleiche Frage: Wie muss Ausbildung aussehen, wenn „Erfahrung im Social Web wichtiger ist als Kenntnisse in Video und Foto“ – und wie vor allem muss der Berufseinstieg gestaltet werden, um eben jene nicht zu vergrätzen, die als Natives das Webhandwerkszeug schon in die Wiege gelegt bekamen und ketzt natürlich nicht nur als Mitarbeiter Wertschätzung verdienen, sondern gleichermaßen Mentorenfunktionen übernehmen können? Wer bringt Volontären bei, was in den Medienhäusern selbst noch keine Praxis ist? Wer schlägt die Brücke zwischen den technischen Feinheiten des neuen Web und der journalistischen Praxis? Soeben erreicht uns die Kunde, dass die „Deklaration zur Aus- und Weiterbildung von Journalisten im Anschluss an #jr11 ausgearbeitet“ wird. Wir bleiben dran, denn was für Journalisten gilt, kann für den Rest der Branche nicht unbedeutend sein!
Nach spannenden Vorträgen gestern [siehe Programm] wurden bis vor wenigen Minuten die Ergebnisse der vormittäglichen Workshops vorgestellt, die hoffentlich in einer zusammenfassenden Arbeit noch all jenen zugänglich gemacht werden, die, wie ich, nicht teilnehmen konnten.
Dank den fleißigen Twitterern, es war fast wie live dabei!
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