KI in kleinen Verlagen Kreativität und Kunst besser ohne Algorithmen

Im Rahmen unseres Studienprojektes Verlage der Zukunft habe ich, zusammen mit zwei Kommilitoninnen, mit dem Berner Verlag Vatter & Vatter gesprochen. Der Schweizer Verlag des Jahres 2024 wurde 2015 gegründet. Das Verlagsprogramm ist spezialisiert  auf Printformate wie Wimmelbücher, Wortfächer und Konzeptprojekte, die Publikationen und Vermittlungsprojekte wie Ausstellungen oder Workshops umfassen. Im Mittelpunkt des Interviews steht das Verwenden von Künstlicher Intelligenz (KI) im Verlagsalltag.

VDZu: Wie steht Ihr Verlag dazu, KI zu benutzen für Illustrationen oder generell in der Buch- und Medienbranche?

Matthias Vatter:  Wir sind ein sehr kleiner Verlag, vor allen für deutsche Verhältnisse. Aber als Schweizer Verlag sind wir quasi schon fast im Mittelfeld mit unserem kleinen Team von vier bzw. fünf Personen, die auch teilzeitlich angestellt sind. Gleichzeitig bewegen wir uns relativ stark in verschiedenen Netzwerken sehr bewusst. Das hat auch ökonomische und marketingtechnische Hintergründe, weil wir gemerkt haben, dass die klassischen Verkaufskanäle –  Stichwort Buchhandel – für uns als kleiner bis mittlerer, aber auch spezialisierten Verlag, mit unserem Programm nur teilweise befriedigend funktionieren. Da gibt es für uns einen ganz interessanten Aspekt der KI: Wir sind ein bisschen am Rumprobieren, wie wir Fördergesuche effizienter bearbeiten können mit KI-Unterstützung

VDZu: Wie sieht das konkret aus?

Wir verwenden ChatGPT zum Beispiel so, dass wir so prompten, damit wir verschiedene Fördergesuche effizienter gestalten können. Sie haben das ja auch in Deutschland. Es gibt in der Schweiz hunderte von öffentlichen und privaten Förderinstitutionen, die mehr oder weniger geeignet sind für Publikationsprojekte. Das geht von Projektförderung über gezielte Förderungstöpfe für Autor:innen, Illustration:innen usw. bis hin zu Druckkostenzuschüssen. Und da müssen Sie als Verlag schauen, dass Sie sehr effizient arbeiten. Die Gesuche zu stellen, ist ein relativ hoher Aufwand und dann bekommen Sie da nur wenige tausende Franken. Wir haben gemerkt, dass es interessant sein kann, rein auf der Ressourcenseite einiges zu optimieren. Wir stehen aber noch sehr am Anfang. Wenn es um die Urheberrechtsseite geht, sind wir jedoch sehr kritisch, weil wir eigentlich glauben, dass künstlerische Inhalte wie Illustrationen in Wimmelbüchern, so wie wir sie auch publizieren, als Kunstwerke einen bestimmten Schutz verdient haben. Und da stellt sich einerseits für uns die Frage: Wie können wir sicher gehen, dass wir als Verlag immer wissen, dass da wirklich kreative Originalarbeit an uns herangetragen wird? Andererseits: Wie gehen wir damit um, wenn plötzlich Konkurrent:innen anfangen mit Journey und ähnlichen Tools kreative Inhalte eins zu eins zu schaffen und damit die Urheber:innen aus dem Spiel bringen. Wir schauen da sehr kritisch drauf. Aber als kleiner Verlag sind wir da begrenzt im Einfluss.

VDZu: Ihr Verlag verwendet also schon KI, aber eher für das Beantragen von Förderungsanschriften?

Vatter: Im Moment sehen wir das auf der Effizienzseite. Wie können wir unsere betriebswirtschaftlichen Abläufe optimieren. Ich sehe da spannende Ansätze. In Vertrieb und Marketing kann man einiges machen. Aber grundsätzlich sind wir da noch sehr am Anfang. Und arbeiten sonst sehr stark mit anderen Mitteln und Methoden, die mit KI eigentlich nichts zu tun haben. Im Moment fokussieren wir uns wesentlich stärker auf Netzwerke und Kontaktpflege.

 

VDZu: Denken Sie, dass es noch mehr Vorteile von KI gibt, außer die Effizienz in den betrieblichen Abläufen? Könnte das auch den Inhalt der Bücher und  die Illustrator:innen beeinflussen?

Vatter: Im Moment sehe ich es kritisch. Sie haben sicherlich die Diskussion mitbekommen im Musikbereich, mit den KI-Anwendungen für Musikwerke. Dort scheint mir die Entwicklung weiter zu sein als jetzt im graphischen Bereich. Ich habe  einen kritischen Blick darauf, weil schlussendlich verstehe ich unseren Verlag als Partner für die kunstschaffenden Urheber:innen einerseits und die Endkunden andererseits. Ich würde behaupten, wir haben eine gewisse Qualitätssicherungsaufgabe. Wir sollen schauen, dass die Leser:innen und Betrachter:innen Werke zu sehen und zu nutzen bekommen, die auch wirklich einen kreativen und künstlerischen Hintergrund haben. Ich sehe es kritisch, wenn allzu sehr mit Algorithmus gesteuerten Tools gearbeitet wird.

 

VDZu: Wie schätzen Sie es ein, wie sich die Verlagsbranche in den nächsten Jahren in Bezug auf die Nutzung von KI verändern wird, vor allem auch aus der Sicht eines kleinen Verlags?

Vatter: Das ist wirklich eine gute Frage. Bei der Entwicklung habe ich das Gefühl, als kleiner Verlag hinken Sie da zwangsläufig hinterher. Ich glaube, die großen Verlagskonzerne haben rein von ihren Mitteln her sofort viel mehr Möglichkeiten, diese Tools richtig auszuschöpfen und dann die Skaleneffekte, wie man so schön sagt, auch wirklich mitzunehmen. Da sind wir als kleiner Verlag sicher viel begrenzter. Ich glaube, das wird eine weiterer Herausforderung für uns, egal in welchem Land. Und gleichzeitig sehe ich genau dort wieder eine Chance, weil ich sehr davon überzeugt bin, dass die kleinen Verlage durchaus nicht nur eine Existenzberechtigung haben, sondern auch eine wirtschaftliche Basis schaffen können, indem wir gerade mit diesen Originalanspruch und mit Nähe des Netzwerkes arbeiten. Das ist wiederum unsere große Chance, was hingegen ein größerer Konzern nicht kann.

 

Artikel und Interview von Lu Hilgers

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