Autor: Christian Kerntke
Lesezeit: 6 min
Künstliche Intelligenz oder KI ist überall. Jeder hat schon einmal davon gehört; dank dem rasenden Erfolg von ChatGPT ist das Thema jetzt erst recht in aller Munde. Manche begegnen dem Ganzen mit Skepsis; wie soll auch eine Maschine besser sein, als der Mensch? Manch andere sehen in dieser Entwicklung lediglich einen weiteren Schritt Richtung Weltuntergang und der Unterjochung des Menschen durch die Maschine à la Terminator. Und manch andere gehen wiederum technologischen Errungenschaften wie dieser vor allem mit Neugierde und Begeisterung entgegen, schließlich stellt vor allem der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in erster Linie eine Chance dar; nicht nur für die Wirtschaft, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes.
Doch egal in welcher Gruppe man sich in dieser Debatte wiederfinden mag, fest steht, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz in vielerlei Bereichen schon lange nicht mehr eine Frage des „wie“ ist, sondern des „wann“.
Die Europäische Kommission sah sich schon vor Jahren mit dieser Herausforderung konfrontiert. Und wie für jeden angehenden, bedeutenden Umschwung bedarf es auch in dieser Angelegenheit einer guten Vorbereitung. So beschloss die Europäische Kommission im Juni 2018 die Gründung einer Expertengruppe – der sogenannten „High-Level Expert Group on Artificial Intelligence“ (AI HLEG) –, die im Wesentlichen das Ziel hatte, die Europäische Initiative für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu unterstützen. Dazu gehörte die Ausarbeitung von Vorgehensweisen für Politik, aber auch die Empfehlung von Lösungsansätzen zu Fragestellungen ethischer, rechtlicher und gesellschaftlicher Natur, die mit einer verbreiteten Nutzung von KI einhergehen. Mehr als 50 Mitglieder – darunter Vertreter von namenhaften Technologieunternehmen wie Google, IBM, Bosch oder Bayer, aber auch von bekannten Universitäten wie zum Beispiel der „University of Oxford“ – widmeten sich diesem vielfältigen und höchst komplexen Thema. So veröffentlichte die AI HLEG über einen Zeitraum von 2 Jahren (von Juni 2018 bis Juli 2020) insgesamt vier wissenschaftliche Paper, in denen sie ihre Erkenntnisse zusammenfassend und für Laien verständlich darstellte:
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- Ethics Guidelines for Trustworthy AI: Dies umfasst 7 Voraussetzungen, die eine KI erfüllen muss, um als vertrauenswürdig eingestuft werden zu können.
- Policy and Investment Recommendations for Trustworthy AI: Dies gibt 33 Empfehlungen, wo und wie man vertrauenswürdige KI einsetzen kann.
- Assessment List for Trustworthy AI (ALTAI): Dies ist eine Checkliste für KI-Entwickler und -Nutzer basierend auf den Erkenntnissen aus den „Ethics Guidelines for Trustworthy AI“.
- Sectoral Considerations on the Policy and Investment Recommendations: Dies enthält eine Anwendung der Ergebnisse aus der „Policy and Investment Recommendations for Trustworthy AI” auf 3 Sektoren (Öffentlicher Sektor, Gesundheitswesen, Herstellung und das Internet der Dinge).
Zudem stellte die Expertengruppe am 8. April 2019 ein Dokument bereit, in dem sie, neben einer Erläuterung der grundsätzlichen Funktionsweise, auch eine umfassende Definition von Künstlicher Intelligenz anbot, auf die sich ihre späteren Ausführungen stützen sollten. So beschreibt die AI HLEG in „A defintion of AI: Main capabilities and scientific disciplines” Künstliche Intelligenz in zwei Teilen: zunächst als Software beziehungsweise Hardware-System, das speziell von Menschen zur Erfüllung eines bestimmten Ziels entwickelt wird und im Anschluss als wissenschaftliche Disziplin die diverse Herangehensweisen und Techniken aus unterschiedlichen Bereichen wie „Machine Learning“, „Machine Reasoning“ und Robotik in sich vereint.
Konkret ist also laut der „High-Level Expert Group on Artificial Intelligence“ unter Künstlicher Intelligenz folgendes zu verstehen:
“Artificial intelligence (AI) systems are software (and possibly also hardware) systems designed by humans that, given a complex goal, act in the physical or digital dimension by perceiving their environment through data acquisition, interpreting the collected structured or unstructured data, reasoning on the knowledge, or processing the information, derived from this data and deciding the best action(s) to take to achieve the given goal. AI systems can either use symbolic rules or learn a numeric model, and they can also adapt their behaviour by analysing how the environment is affected by their previous actions.
As a scientific discipline, AI includes several approaches and techniques, such as machine learning (of which deep learning and reinforcement learning are specific examples), machine reasoning (which includes planning, scheduling, knowledge representation and reasoning, search, and optimization), and robotics (which includes control, perception, sensors and actuators, as well as the integration of all other techniques into cyber-physical systems).”
Hinter KI steckt also wesentlich mehr, als man zuerst vermuten mag. Bleibt nur noch zu hoffen, dass die Vorbereitungen auf eine von Künstlicher Intelligenz gesteuerten Zukunft ausreichen werden; gut sieht es schon einmal aus! Ein kleiner Trost für die Skeptiker an der Stelle: in der Definition steht der Mensch noch immer als der treibende, bestimmende Faktor…
Doch der Mensch ist nicht unfehlbar. Mögen die Vorteile, die Nachteile übertreffen.
Only time will tell…
Quelle:
Bild: https://www.abacus.ch/blog/artikel/kuenstliche-intelligenz-in-der-buchhaltung