Bei unserem Studium rund ums Buch stellt man uns immer wieder die gleichen Fragen: Sterben Bücher nicht eigentlich aus? Ist die Branche nicht veraltet?
Obwohl uns diese Fragen, ob im Studium oder in der Branche allgemein, natürlich durchaus beschäftigen, stehen sie nicht gerade im Zentrum einer konstruktiven Diskussion. Sicher, in einem Zeitalter der modernen digitalen Medien scheint das Buch auf den ersten Blick obsolet. Das Leseverhalten der zukünftigen Generationen passt nicht mehr zum traditionellen Konzept eines Romans. Aber heißt das, das Buch hat ausgedient? Gibt es im Überlebenskampf Buch gegen die geballte Kraft von Videospielen, Filmen und Serien einen klaren Gewinner?
Wir halten es für sinnvoller, die aussichtslose Konkurrenz zwischen Buch und neuen Medien links liegen zu lassen und vielversprechende Wege einzuschlagen.
Dabei schlägt sich In Sachen Intersektionalität bisher vor allem das Kinderbuch besonders gut. Dies ist wenig überraschend: Die Kindheit ist die Zeit der Sinnesentwicklung. Es müssen möglichst viele Anreize geboten werden, damit diese Entwicklung effektiv aber gleichzeitig auch mit Spaß abläuft. Viele Eltern suchen hierfür die bestmögliche Unterstützung und müssen vielleicht feststellen, dass ein traditionelles Buch wie zum Beispiel Peterchens Mondfahrt – ein bekanntes Märchen von Gerdt von Bassewitz – die Bedürfnisse ihres Kindes nur unter bestimmten Umständen erfüllen kann. Und diese können durchaus hergestellt werden!
Deswegen wird Peterchens Mondfahrt vorgelesen, mit unterschiedlichen Stimmen für Sonne, Mond, und all ihre Kinder. Wenn es mal zeitlich nicht passt, wird die liebste Hörbuchfassung abgespielt und es kann währenddessen Maikäfer gespielt werden. Auch besondere Fassungen mit eingebautem Lautsprecher, durch den Soundeffekte, Tierstimmen, oder Lieder abgespielt werden, erweitern auf Knopfdruck die Leseerfahrung um einen weiteren Sinn: das Tasten. Oder das weiche Gras der Mondwiesen ist durch Stoff inszeniert! Der Fantasie sind wortwörtlich keine Grenzen gesetzt.
Einen weiteren Schritt in diese Richtung, der für die Verlagsbranche allgemein von großem Interesse ist, geht das Konzept der Augmented Reality, oder Erweiterte Realität. Hier wird zum Beispiel durch eine Kamera-App am Smartphone in Echtzeit das aufgenommene Bild mit eingespielten “fiktiven” Elementen angereichert.
Plötzlich ist es möglich, Peterchens Mondfahrt, zumindest in abgewandelter Form, ein wenig selbst zu erleben. Der 2019 im DuMont Reiseverlag erschienene Bildband “Reise zum Mond” bildet eine Brücke zwischen dem traditionellen Buch, das man haptisch erfassen kann, und dem Reiz des 3D Bildes. Mithilfe einer kostenlosen App ist es möglich, die enthaltenen Bilder dreidimensional zu betrachten, die ersten Schritte auf dem Mond live mit den eigenen Füßen zu gehen – und das im eigenen Wohnzimmer!
Schlussendlich ist das natürlich nur ein kleines Beispiel für das Potential der Augmented Reality und damit auch keine einfache Lösung für den Konflikt zwischen dem traditionellen Buch und den neuen Medien. Aber es kann ein Anstoß sein, die Grenzen zwischen “alten” und “neuen” Medien zu überbrücken und stattdessen, in Kinderbüchern oder anderswo, eine ganzheitliche, intersektionale Definition des Wortes “Medien” zu begrüßen.
Autorin: Josefine Bernhofer
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Quellen:
https://www.space.com/augmented-reality-space-books.html
https://www.conrad.de/de/ratgeber/multimedia/augmented-reality.html