Innovative Geschäftsmodelle
Die Konkurrenz des Internets für den Buchhandel ist längst Realität. Social Media und Medienplattformen ringen um unsere Aufmerksamkeit und eröffnen uns neue Beschäftigungsmöglichkeiten neben den Printmedien. Aber nicht nur Buchhändler verzweifeln in Anbetracht der gegenwärtigen Lage. Auch Zeitungs- und Zeitschriftenverlage haben es nicht leicht, sich in diesem Angebot an Medien sichtbar zu machen. Kunden weigern sich, Abonnements abzuschließen und sich zur langfristigen Bindung zu verpflichten. Dieser Umstand zwingt die Verlage zum Umdenken. Wie kann man das Interesse von Kunden aufrechterhalten, ohne sie zu sehr zu bedrängen?
Die „Pay per use“-Methode scheint einen Ausweg zu ermöglichen. Damit gemeint ist ein Zahlungsmodell, bei dem der Kunde einmalig einen Preis für den Zugriff auf einen bestimmten Inhalt zahlt, der von einem Unternehmen zur Verfügung gestellt wird. Entweder geschieht dies durch den Download des entsprechenden Produktes oder durch das Erhalten dessen Nutzrechtes über eine dem Unternehmen gehörige Web-Plattform. Letzteres hat den Vorteil, dass der Verlag eine Möglichkeit hat, Werbeanzeigen zu schalten und Marketing für weitere Produkte zu betreiben.
In Deutschland hat sich das Zahlungsmodell bisher noch nicht durchgesetzt. Auffindbar sind verschiedene Abonnement-Varianten, wie beispielsweise Monats-Abos, bei denen man gegen einen festen Betrag automatisch monatlich die neuste Ausgabe bezieht – als Print- oder digitales Medium, doch der eigentliche Vorteil des Kundenprofils geht dadurch verloren.
Wie lässt sich die Anwendung des „Pay per use“-Modells also rechtfertigen? Denn obwohl das Anfangsproblem gelöst zu sein scheint, häufen sich die Kritikpunkte: Eine solche Methode erfordert eine Umstrukturierung des Vertriebs – Der Verlag stände unter dem Druck, vorrangig diejenigen Artikel zu veröffentlich, die ihm den größten wirtschaftlichen Erfolg bzw. einen guten Ruf bei der jeweiligen Zielgruppe versprechen, da andere Inhalte nur schwer vertrieben werden könnten. Das liegt daran, dass Kunden nun über die Möglichkeit der Wahl zwischen verschiedenen Artikeln verfügen. Für den Kunden weniger interessante Inhalte, die früher als Bestandteil einer Zeitschrift mitgekauft wurden, finden dadurch wenig Beachtung und profitieren daher nicht mehr von der Verkaufskraft der Premium-Artikel. Die Einführung des neuen Zahlungsmodells erfordert daher eine Umstrukturierung der Aufgabenfelder von Verlagsmitarbeitern, was auf lange Sicht zu einer Reduktion des Verlages führen kann. Zugleich steht der Verlag vor der Aufgabe eines massiven technischen Fortschrittes. Dieser beinhaltet beispielsweise den Aufbau einer Web-Plattform, auf der sich die Konten jedes Kunden individuell anpassen lassen und aus der Statistiken zur Marktforschung erstellt werden können. Eine solche Umstrukturierung bedeutet ein Risiko für das Unternehmen, welches viele Verlagsleiter nicht bereit sind, einzugehen. Doch werden Verlage eines Tages dazu gezwungen sein?
Denn trotz der Risiken stellt sich für Verlagsleiter die Frage, ob sie es sich leisten können, sich zukünftig neuen Zahlungsmodellen zu verweigern und somit Gefahr zu laufen, Kunden an andere Unternehmen zu verlieren. Mit der Einführung von „Pay per use“ würde sich dem Verlag stattdessen eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten zur Akquise neuer Kunden eröffnen. Diese hätten eine Auswahl an Artikeln, die sie sich nach Wunsch kaufen könnten und hätten dabei die Möglichkeit, von für sie weniger interessanten Inhalten abzusehen. Der Verlag wäre dazu in der Lage, Informationen über Kundenvorlieben und dessen individuelle Interessen zu sammeln, um dann durch Marktforschung neue Kundensegmente zu erschließen. Gerade im Bereich Fachzeitschrift und Wissenschaftsverlage besteht die Möglichkeit einer Neuentdeckung, wie beispielsweise Studenten, die nach speziellen Inhalten zu ihrem Fachgebiet suchen. Ein wesentlicher Vorteil für Verlage im Vergleich zu vielen anderen Unternehmen ist, dass sie zum Zeitpunkt der Umstrukturierung ihre Inhalte bereits zur Verfügung stellen können, da diese vorhanden sind. Gelingt die Durchsetzung des „Pay per use“-Zahlungsmodells, hat der Verlag gute Chancen, seine Verkaufszahlen zu erhöhen.
Wenn bei einer Marktforschung festgestellt würde, dass bei der ausgesuchten Zielgruppe ein Bedarf nach einem solchen Zahlungsmodell besteht, muss der Verlag also nur eines tun: Handeln! Denn wie in jedem Markt heißt es hier: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Und sobald andere Unternehmen das Zahlungsmodell erfolgreich etabliert und Kunden auf ihre Seite gezogen haben, wird die Reaktion der Verlage zu spät gekommen sein. Wie also kann der Verlag auf seine Inhalte aufmerksam machen? Das Angebot muss zunächst im Internet sichtbar gemacht werden. Eine Möglichkeit dazu bietet die Suchmaschinenoptimierung – durch Angabe von Schlagworten steigt der Artikel in der Rangliste von Suchmaschinennutzern immer weiter nach oben. Für Verlage ist dieser Prozess jedoch mühselig und zeitaufwendig. Auch bezahltes Google-Ranking bietet gerade kleineren Verlagen keine wirkliche Alternative, da dieses unerschwinglich im Verhältnis zum möglichen Erlös ist. Eine weitere Methode darf aufgrund der Bekanntheit seiner Relevanz nicht unerwähnt bleiben: Social Media-Kanäle haben in unserer modernen Welt eine enorme Reichweite. In anderen Branchen sind sie bereits ein altbekanntes Werbemedium – in der Buchbranche erwacht für dessen Möglichkeiten und Vorzüge gerade erst ein neuer Geist: Der schnelle und relativ unkomplizierte Kontakt zu einer Vielzahl von Menschen, Interaktivität und Akquise potenzieller Neukunden. Weiterhin bieten Social Media-Kanäle Tools zur Kundenbindung, beispielsweise durch die Verknüpfung des Social Media – Profils mit dem Kundenkonto beim Verlag. Auch ohne die Einführung des „Pay per use“-Zahlungsmodells ist die Teilnahme an diesen Kanälen für die meisten Teilnehmer des Buchmarktes ein Muss.
Das „Pay per use“-Modell bedeutet für die Branche also nicht nur die Lösung für das Problem der Kundenbindung, sondern den endgültigen Eintritt in eine sehr technische Welt. Nun stellt sich also nur noch die Frage: Sind die Verlage bereit, das Risiko einer so drastischen Umorientierung einzugehen? Und wie drastisch werden die Folgen ausfallen, falls sich Verlage weiterhin gegen neue technische Möglichkeiten zur Kundenbindung wehren?
Autor: Linda Schneider (in Zusammenarbeit mit Stefan Gaßmann, Geschäftsführer der mediaTEXT Jena GmbH)