Autorin: Jolyn Stenschke
„I can’t breathe“. Es war der letzte Satz den George Floyd sprach, bevor er starb, nachdem der Polizeibeamte Derek Chauvin über mehrere Minuten auf seinem Hals kniete. Kurz danach wurde dadurch die antirassistische Protestbewegung „Black Lives Matter“ kontinentübergreifend zu ihrem Höhepunkt angetrieben.
Trotz der Entwicklungen der letzten Jahrzehnte sind Rassismus und Diskriminierung noch immer auf der ganzen Welt ein Problem, unter dem Millionen von Menschen leiden. Auch in Deutschland wurden der Antidiskriminierungsstelle des Bundes im Jahr 2021 5.617 Fälle gemeldet, von denen 37 Prozent aus rassistischen Gründen verübt worden sind.
Doch was genau ist eigentlich nochmal Rassismus?
Rassismus beschreibt letztendlich eine Ideologie, bei der eine Person aufgrund ihres äußerlichen Erscheinungsbildes und/oder ihrer ethnischen Herkunft ausgegrenzt, als weniger wert angesehen und dadurch anders behandelt wird. Dabei begleitet Rassismus noch immer nationale Minderheiten und BiPoc (Abkürzung für Black, Indigenous and People of Color) durch alle Lebensbereiche. Ob es auf dem Weg zur Arbeit in der U-Bahn ist, in der Schule, bei der Suche einer Wohnung, im Kontakt mit der Polizei, in Clubs oder auf der Straße. Auch im Freund:innenkreis oder bei der Ausübung eines Hobbys können sich weiterhin rassistische Vorurteile und stereotypische Denkweisen verstecken und bei den betroffenen Personen psychische wie physische Schäden hinterlassen. Denn es sind nicht nur offene Beleidigungen oder körperliche Angriffe, die unter den Begriff „Rassismus“ fallen. Auch Unwissenheit oder Unüberlegtheit sind Auslöser einer subtileren Art von Rassismus, die bereits bei Kommentaren beginnt wie „Du sprichst aber gut Deutsch“, „Du bist aber hübsch für eine (…)“ oder „Kann ich deine Haare mal anfassen?“.
Was wird in Deutschland dagegen unternommen?
Artikel 3 des Grundgesetztes für die Bundesrepublik Deutschland besagt, dass niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf.
Darüber hinaus existiert seit dem Jahr 1998 das Rahmeneinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten in Deutschland. Dazu zählen die friesische Volksgruppe, die dänische Minderheit, das sorbische Volk sowie die deutschen Sinti und Roma, welche nahezu in ganz Deutschland leben und weiterhin besonders stark von Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen sind.
Im Jahr 2006 trat zudem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft, mit dem Deutschland vier europäische Richtlinien umgesetzt hat, um Benachteiligungen aufgrund von z. B. ethnischer Herkunft zu verhindern oder zu beseitigen. Woraufhin die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gegründet wurde – eine unabhängige Stelle im deutschen Bundesministerium, dessen gesetzliche Aufgaben die Beratung, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit umfasst und die auf der Grundlage des AGG handelt. Zusätzlich existieren verschiedene Bundesprogramme gegen Rassismus, der Nationale Aktionsplan gegen Rassismus (kurz NAP), zahlreiche Verbände, Projekte und Personengruppen, die sich gegen Diskriminierung einsetzen, sowie Stiftungen und Schulen, die sich dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ angeschlossen haben.
Ist damit also alles getan?
Trotz der vielseitigen Bemühungen ist Rassismus immer noch ein großes Thema in unserer Gesellschaft, da es weiterhin tief in staatlichen Strukturen, unseren Denkstrukturen und Wirtschaftssystemen verwurzelt ist. Es ist nicht abzustreiten, dass eine weiße Hautfarbe Hand in Hand mit weißen Privilegien geht und nicht-weiße Person weiterhin Opfer von bewussten oder unbewussten rassistisch geprägten Handlungen werden. Doch jede:r hat die Möglichkeit sich selbst zu informieren und diskriminierte Personengruppen zu unterstützen. Dafür haben wir hier einige #ownvoices Bücher zusammengetragen, die von BiPoc-Autor:innen geschrieben wurden und einen klaren Einblick in deren persönliche Erfahrungen mit Rassismus geben.
„The Hate U Give“ von Angie Tomas
Es ist der erste Jugendroman von der afroamerikanischen Schriftstellerin Angie Thomas und folgt der afroamerikanischen Schülerin Starr, die mit ihrer Familie in dem verarmten Viertel Garden Heights wohnt und auf eine überwiegend weiße Privatschule geht. Nachdem ihr bester Freund Khalil vor ihren Augen von einem weißen Polizisten erschossen wird, rückt sie plötzlich ins Zentrum der Öffentlichkeit und beginnt unter all dem Druck, der dadurch plötzlich auf ihr lastet, ihre Stimme zu finden.
https://www.penguinrandomhouse.de/Buch/The-Hate-U-Give/Angie-Thomas/cbj-Jugendbuecher/e506033.rhd
„Grundfarbe Deutsch: Warum ich dahin gehe, wo die Rassisten sind“ von Umeswaran Arunagirinathan
In dieser Biografie beschreibt Herzchirurg Dr. Umes Arunagirinathan wie er als 13-Jähriger Flüchtender nach Deutschland kam und mit welchen Schwierigkeiten er als dunkelhäutiger Mensch in Deutschland zu kämpfen hat.
https://www.rowohlt.de/buch/dr-med-umes-arunagirinathan-grundfarbe-deutsch-9783499009556
„Das Wort das Bauchschmerzen macht“ von Nancy J. Della
In diesem Kinderbuch folgen wir einem dunkelhäutigen Jungen namens Lukas. Lukas‘ Lieblingszeit in der Schule ist die Vorlesezeit. Das ändert sich jedoch, als seine Lehrerin Frau Hoehlmann eine Geschichte vorliest, in der ein Wort vorkommt, welches ihm Bauchschmerzen macht, jedoch keiner außer seiner Freundin Amira so richtig zu verstehen scheint. So geht er zu seiner Familie, die daraufhin gemeinsam überlegen, was sie dagegen tun können.
https://www.edition-assemblage.de/buecher/das-wort-das-bauchschmerzen-macht/
„Schamlos“ von Sofia N. Srour, Nancy Herz und Amina Bile
Drei norwegische muslimische Frauen gewähren einen Einblick in die Sorgen und Probleme, mit denen sie jeden Tag zu kämpfen haben. Sie tauschen sich innerhalb des Buches darüber aus, wie es ist, als Muslimin in einem westlichen Land zu leben, sie berichten über ihren Alltag mit Freund:innen, über Kleiderordnungen und über die Erwartungen ihrer Familien, erzählen die Geschichten, die ihnen andere Mädchen und junge Frauen erzählt haben und geben einander Ratschläge.
https://www.thienemann-esslinger.de/produkt/schamlos-isbn-978-3-522-30521-1
„Gypsy: Die Geschichte einer großen Sinti-Familie“ von Dotschy Reinhardt
Die deutsche Jazz-Musikerin und Menschenrechtlerin Dotschy Reinhardt ist Sinteza. Sie gehört zum Volk der Sinti, welches seit sechs Jahrhunderten in Deutschland lebt und einen langen Schatten der Ungerechtigkeit und Verfolgung hinter sich her trägt. In ihrem Buch erzählt sie von den Sinti und Roma, von ihrer Familie, ihrer Sprache und ihrer Kultur, sowie ihrem beruflichen Werdegang und ihrer Liebe zur Musik.
„Exit Racism: rassismuskritisch denken lernen“ von Tupoka Ogette
Diese Buch lädt Menschen dazu ein, sich näher mit Rassismus in Deutschland auseinander zu setzen. Es wirft einen Blick auf die Entstehungsgeschichte des Rassismus und beleuchtet die rassistischen Strukturen, die sich noch immer in unserem Denken und Handeln verstecken.
Quellen:
Antidiskriminierungsstelle des Bundes (o. D.): Über uns, [online] https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ueber-uns/ueber-uns-node.html [zuletzt geprüft am 16.08.2022].
Bundesministerium des Innern und für Heimat (2021): BMI – Lexikon – M – Minderheiten, [online] https://www.bmi.bund.de/DE/service/lexikon/functions/bmi-lexikon.html;jsessionid=658F340B8A4E994B7C8CA0FB61DA4FFD.2_cid295?cms_lv2=9391116&cms_lv3=9398194#doc9398194 [zuletzt geprüft am 16.08.2022].
Bundeszentrale für Politische Bildung (2022): Black Lives Matter – eine Bestandsaufnahme, [online] https://www.bpb.de/themen/nordamerika/usa/507013/black-lives-matter-eine-bestandsaufnahme/ [zuletzt geprüft am 16.08.2022].
Webseite der Bundesregierung (2018): Nationaler Aktionsplan gegen Rassismus, [online] https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/nationaler-aktionsplan-gegen-rassismus-1145356 [zuletzt geprüft am 16.08.2022].
Zech, Tanja (2022): Gegen das Gift, deutschland.de, [online] https://www.deutschland.de/de/topic/leben/initiativen-gegen-rassismus-in-deutschland [abgerufen am 18.08.2022].
Zentralrat Deutscher Sinti und Roma (2019): Aufforderung an die Bundesregierung: Nationale Minderheiten in Deutschland solidarisch mit den indigenen Völkern weltweit, [online] https://zentralrat.sintiundroma.de/aufforderung-an-die-bundesregierung-nationale-minderheiten-in-deutschland-solidarisch-mit-den-indigenen-voelkern-weltweit/ [zuletzt geprüft am 16.08.2022].