Es ist noch gar nicht so lange her, da war die Kooperation mit einem Verlag die einzige Möglichkeit für Schriftsteller, ihre Bücher in die Welt zu bringen. Auch heute denkt der Großteil bei dem Begriff „Buchpublikation“ an diese Form der Veröffentlichung: Der Autor wendet sich an den Verlag, dieser bekommt das Manuskript und verarbeitet es zu einem brauchbaren Buch weiter. Dem Autor wird die viele zusätzliche Arbeit abgenommen, die die Fertigstellung und Vermarktung eines Romans mit sich bringt, und der Verlag kann durch die Bereitstellung des Manuskripts seiner Haupttätigkeit nachgehen – nämlich, Bücher zu verlegen. Es gewinnen also beide Parteien.
Nichtsdestotrotz existiert seit einiger Zeit eine weitere Art des Publizierens. Immer mehr Autoren gehen den Weg des Selfpublishings, obwohl das Thema in seinen ersten Jahren sehr auf Kritik gestoßen ist. Doch was ist Selfpublishing überhaupt?
Definition „Selfpublishing“
Unter Selfpublishing versteht man das Publizieren eines Werkes – in diesem Fall eines Buches – durch den Autor selbst. Der Autor wird zum Selbstverleger und kümmert sich neben dem Verfassen, Lektorieren und Korrigieren des Textes auch um den Druck, die Gestaltung, das Marketing und den Vertrieb.
Das Selfpublishing ist in den letzten Jahren zunehmend als anerkannte Veröffentlichungsform akzeptiert worden. Obgleich das Thema von vielen Lesern und insbesondere Verlagen mit hochgezogener Augenbraue betrachtet wird, lässt sich nicht bestreiten, dass die Qualität von eigenpublizierten Büchern deutlich zugenommen hat.
Anmerkung: In diesem Artikel wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten sind damit ebenfalls gemeint und sollen nicht ausgeschlossen werden.
Vorurteile gegenüber Selfpublishing
Selfpublisher müssen sich auf ihrem Weg vielen Herausforderungen stellen. Aus der Sicht vieler Leute sind die Bücher von Selfpublishern…
… von schlechter Qualität.
… auf leichtere Weise publiziert worden.
… die Bücher, die kein Verlag haben wollte.
An diesen Vorurteilen halten viele seit Jahren fest, und tatsächlich ist dieses Bild nicht völlig aus der Luft gegriffen: Viele eigenpublizierte Bücher strotzen nur so vor Rechtschreib- und Grammatikfehlern, schlechter Verarbeitung bezüglich des Drucks und allgemein einem unprofessionellen Aussehen. Derartige Fälle sind jedoch nicht mit dem Selfpublishing als solches gleichzusetzen, da es zahllose Gegenbeispiele gibt, die zeigen, dass Selfpublishing auch anders funktionieren kann. Betrachten wir dafür die eben aufgeführten Punkte einmal im Einzelnen:
Vorurteil 1: Warum werden eigenveröffentlichte Bücher mit schlechter Qualität assoziiert?
Die Frage ist leicht zu beantworten – weil sich laut Definition nur eine einzelne Person um alle zu bewältigenden Aufgaben kümmert. Da der Autor keinen Verlag im Rücken hat, hat er keinen Zugriff auf die Expertise von dessen Mitarbeitern. Die Konsequenz daraus ist, dass eine Menge von Selfpublishern sich dafür entscheidet, alles selbst zu erledigen: Sie lektorieren ihren eigenen Text, erstellen ihr eigenes Buchcover und hoffen, dass es damit getan ist. Die Realität hat jedoch gezeigt, dass gerade dieses Verfahren den Großteil an qualitativ schlechten Büchern hervorbringt: Der Autor hat ab einem gewissen Punkt keine klare Sicht mehr auf seinen so langen und so oft überarbeiteten Text, und insofern er kein professioneller Grafikdesigner ist, wird man auch dort relativ schnell erkennen, dass der Erschaffer des Buchcovers über kein fachliches Können verfügt.
Während es also stimmt, dass die optische und inhaltliche Qualität eines Buches sehr darunter leiden kann, wenn ein Autor alles selbst macht, ist genau das jedoch nicht mehr der Fall: Es gibt mittlerweile zahlreiche Anbieter – teils sogar Verlage selbst –, die Selfpublishern eine Menge an freiberuflichen Lektoren und Coverdesignern zur Verfügung stellen. Autoren beauftragen Profis mit den Aufgaben, für die ihnen selbst das Know-how fehlt. Das kostet zwar Geld, dennoch entscheiden sich immer mehr Selfpublisher für diese Art der Hybridveröffentlichung.
Ein Begriff, der im englischsprachigen Bereich häufig fällt, ist „Indie Publishing“: Während der Autor beim Selfpublishing tatsächlich alles selbst erledigt, stellt er sich beim Indie Publishing sein eigenes Team von „Mitarbeitern“ zusammen, die ihn bei seinem Schreibprojekt unterstützen. Da die Bezeichnung im deutschsprachigen Raum allerdings nicht sehr verbreitet ist, werden die Begriffe oft als Synonyme verwendet und sollen an dieser Stelle nicht voneinander unterschieden werden.
Vorurteil 2: Bücher von Selfpublishern werden auf leichtere Weise publiziert?
Widmen wir uns dem nächsten Punkt. Wie bereits festgestellt, muss ein Selfpublisher deutlich mehr Aufgaben stemmen als ein Verlagsautor. Der Verlag nimmt den Schriftstellern einiges an Arbeit ab:
- Er kümmert sich um Lektorat, Korrektorat, Coverdesign etc.
- Über ihn gelangen die Bücher in die stationären Buchhandlungen, auf die gängigen Internetseiten und an Staats- und Landesbibliotheken.
- Im Gegensatz zum Selfpublisher hat der Verlag Druckereien, mit denen er seit Jahren zusammenarbeitet und über die er seine Bücher drucken lässt.
- Durch ihn hat der Autor Zugriff auf eine bereits etablierte Käufergruppe, für die der Verlagsname ausreicht, um dem Buch eine Chance zu geben. Selfpublisher stehen zu Beginn oft dem Problem gegenüber, dass sie nicht wissen, wie sie ihr Produkt an ihre Zielgruppe bringen können.
Dazu kommen immaterielle Dienstleistungen, die sich auf den ersten Blick nicht erkennen lassen: Kommt ein langjähriger Autor mit seinem Manuskript nicht weiter oder ist auf sonstige Weise nicht mit seinem Werk zufrieden, wird er von seinem Verlagslektor aufgemuntert und motiviert. Ihm stehen Leute zur Verfügung, die ihm bei seinem Problem helfen können. Ein Selfpublisher muss das Meiste allein bewältigen. Dies erfordert ein hohes Maß an Disziplin und mentaler Selbstsicherheit.
Die nächste, weit verbreitete Annahme ist, dass es grundsätzlich sehr schwer sei, an einen Verlag zu kommen. Dies ist jedoch nicht der Fall: Zahllose Imprints und Kleinverlage suchen nach Autoren und stehen einer Zusammenarbeit offen gegenüber – vorausgesetzt, der Text passt in das Verlagsprogramm.
Der springende Punkt ist vielmehr, dass Autoren bei Verlagen eher an die großen Publikumsverlage denken, die tatsächlich die meisten ihnen angebotenen Manuskripte ablehnen. Doch auch hier ist die Aussage, dort angenommen zu werden sei „schwer“, wörtlich falsch formuliert. Es ist per se nicht schwer, an einen bekannten Publikumsverlag zu gelangen, es ist unwahrscheinlich. Dazwischen gibt es einen Unterschied. Autoren, die sich über Monate oder gar Jahre hinweg um die Aufmerksamkeit eines solchen Branchenriesen bemühen – teilweise mit Hilfe einer Literaturagentur, die jedoch auch keinen Erfolg garantieren kann –, betreiben dabei immer noch nicht den gleichen zeitlichen und finanziellen Aufwand, mit dem ein Selfpublisher seiner Tätigkeit nachgeht.
Vorurteil 3: Bücher von Selfpublishern sind die Bücher, die kein Verlag wollte?
Kommen wir zum dritten Punkt: Wenn von Selfpublishing die Rede ist, wird der Begriff häufig mit Autoren in Verbindung gebracht, die bei zahlreichen Verlagen angefragt und es schließlich mit dem eigenen Publizieren versucht haben, nachdem sie dort keinen Erfolg hatten. Selfpublisher werden gern dafür belächelt, dass sie dem Urteil eines „richtigen Profis“ nicht vertrauen und stattdessen auf eigene Faust durchstarten möchten. Und tatsächlich werden viele Manuskripte von Verlagen abgelehnt, weil sie entweder nicht die angeforderte Qualität oder einfach nicht das nötige Potential aufweisen. Es gibt aber auch andere Fälle.
Mitunter entscheidet sich ein Autor einfach bewusst dafür, den Weg des Selfpublishings zu gehen, ungeachtet der zusätzlichen Herausforderungen und Hindernisse, die sich ihm dadurch offenbaren. Das Selfpublishing hat nämlich auch seine guten Seiten: Der Autor behält alle Rechte über sein Werk und kann in völliger Unabhängigkeit entscheiden, wie es überarbeitet, gestaltet und vermarktet wird. Es kommt nicht selten vor, dass ein Verlagsautor mit dem finalen Cover, Titel oder inhaltlichen Editieren seines Werkes unzufrieden ist. Ein Verlag muss bei jeder Publikation darauf achten, dass das Buch halbwegs zu der aktuellen Marktsituation passt, ein Selfpublisher hat in dieser Hinsicht mehr Freiheiten.
Selfpublisher sehen außerdem viel mehr von dem Gewinn, als wenn sie mit einem Verlag zusammenarbeiten, da sie die aufgebrachten Kosten allein gestemmt haben. Ob in Printform oder als E-Book – der Verkauf eines Buches ist für einen Selfpublisher deutlich lukrativer als für einen Verlagsautor, der am Anfang zwar keine eigenen finanziellen Investitionen tätigen musste, dafür aber auch einen deutlich niedrigeren Prozentanteil erhält.
So riskant und amateurhaft das Selfpublishing also auf den ersten Blick auch wirkt, so viel Potential birgt es auf den zweiten Blick für Autoren und die Buchbranche im Allgemeinen.
Fazit: Vergleich Traditional Publishing & Selfpublishing
Letztendlich muss jeder Autor selbst wissen, was für ihn das Richtige ist. Entscheidet er sich für einen Verlag, ist dieser der Investor: Er nimmt dem Autor die meisten Entscheidungen ab, trägt das finanzielle Risiko und bietet ihm in schwierigen Zeiten eine Unterstützung, die sich jeder Autor wünscht. Allerdings behält er auch die Kontrolle über das Projekt, arbeitet das Buch so gut wie möglich in den aktuellen Markt ein und behält den Großteil des Gewinns für sich. Dies ist gerechtfertigt, wenn man bedenkt, dass er sich – abgesehen von der Bereitstellung des Manuskripts – um alles kümmert, was mit dem klassischen Publikationsprozess zusammenhängt.
Bei dem Selfpublishing ist dagegen der Autor der Investor: Er muss die finanziellen Kosten stemmen und hat einen höheren zeitlichen Aufwand, was ihm weniger Zeit zum Schreiben gibt. Er wird außerdem mit Zweifeln und Vorurteilen konfrontiert, die er überwinden muss. Er bekommt keinen finanziellen Vorschuss und weiß nicht, ob sich seine Investitionen überhaupt auszahlen werden. Trotz allem behält der Autor jedoch die Entscheidungsgewalt über sein Werk und sucht sich diejenigen aus, die er für sein Projekt engagieren will. Für die einen Autoren ist das ein Grund, es mit dem Selfpublishing zu versuchen, für die anderen ist es das nicht. Beide Wege haben ihre Vorzüge.
Bücher, die von einem Verlag veröffentlicht werden, weisen im Schnitt immer noch eine bessere Qualität auf als eigenpublizierte Bücher. Allerdings verschiebt sich diese Grenze immer mehr. Freelancer bieten Selfpublishern ihre Expertise an, und mittlerweile haben sogar Verlage Plattformen erschaffen, die Selfpublisher für sich nutzen können und über die der Verlag auch Kontakt mit erfolgreichen Selfpublishern aufnehmen kann. Amerikanische Autoren wie E. L. James und Anna Todd machen es vor: Sie veröffentlichen ihre Bücher zuerst selbst und werden auf diese Weise von Verlagen entdeckt. Der Weg des Selfpublishing kann also für alle Seiten profitabel sein, nicht nur für den Autor selbst.
Obwohl das Selfpublishing in Deutschland derzeit noch nicht sehr verbreitet ist, ist demnach nicht auszuschließen, dass sich in dieser Richtung noch einiges entwickeln wird.
Autorin: Sophia Spahr
Textquellen
Dieckmann, Rebekka (2020): Warum manche Autoren bewusst auf Verlage verzichten. Online verfügbar unter: https://www.hessenschau.de/kultur/erfolgreich-mit-selfpublishing-warum-manche-autoren-bewusst-auf-verlage-verzichten,selfpublishing-autorin-100.html, zuletzt aufgerufen am: 24.06.2021
Johannes, Marcus (2019): Warum Selfpublishing nicht der leichtere Weg ist. Online verfügbar unter: https://marcusjohanus.com/2019/05/12/warum-selfpublishing-nicht-der-leichtere-weg-ist/, zuletzt aufgerufen am: 25.06.2021
Morgan, Nick (2016): Which is better: Self-Publishing or Traditional Publishing? Online verfügbar unter: https://www.forbes.com/sites/nickmorgan/2016/05/05/which-is-better-self-publishing-or-traditional-publishing/, zuletzt aufgerufen am: 25.06.2021
Nentwich, Vera (2019): Zwei, die sich ergänzen. Online verfügbar unter: https://www.boersenblatt.net/archiv/1763946.html, zuletzt aufgerufen am: 23.06.2021
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Dass die positiven Seiten der Selbstpublikation beleuchtet werden, ist eine Seltenheit. Ich hoffe, Selfpublishing wird von zukünftigen Autoren häufiger in Erwägung gezogen, weil es eben ein Weg ist und nicht “ die letzte Chance“, wenn Mainstream Verlage kein Interesse zeigen. Die Aufklärung über typische Vorurteile dieser (immer weiter wachsenden) Nische gegenüber ist sehr gelungen und regt zum Denken an, warum es Autoren überhaupt so wichtig ist, von einer Marke vertreten zu werden.