Franziska Hauser ist eine in Berlin geborene Schriftstellerin und Fotografin, die sich in den letzten Jahren vermehrt dem Schreiben widmete. Nach zahlreichen Artikeln und Kurzgeschichten für allerhand Zeitungen und Magazine, ist im Jahr 2015 ihr Debütroman „Sommerdreieck“ erschienen, für den sie den Debütantenpreis der lit.Cologne erhielt. 2018 folgte der Deutsche Buchpreis für ihren zweiten Roman „Die Gewitterschwimmerin“.
Franziska lebt mit ihren Kindern im Berliner Prenzlauer Berg. In einem Gespräch erzählt sie, wie sie mit dem Schreiben angefangen hat und was ihr am deutschen Literaturmarkt fehlt.
Franziska, zu Beginn eine kurze Einstiegsfrage: Warum schreibst du?
Ach, das beantworte ich in letzter Zeit immer damit, dass Literatur dazu da ist, um etwas zu verändern. Alles, was man in einer Gesellschaft verändern will, muss sich diese Gesellschaft ja erstmal vorstellen können. Als AutorIn kannst du eine Vorstellung von einer Veränderung in die Welt setzen, und daraus kann sich später etwas entwickeln. Das ist vielleicht der Hauptgrund.
Du hast 2008 angefangen, Texte für das Magazin zu schreiben, für das du auch fotografierst. War das der Moment, in dem du angefangen hast zu schreiben?
Mein Vater hat mir vor ein paar Jahren ein Video gezeigt, da war ich elf. Er fragte, was ich werden möchte, und ich meinte ganz inbrünstig: „Ich will Schriftstellerin werden!“ [lacht] Irgendwie muss ich das wieder vergessen haben, aber offenbar wollte ich das schon damals und habe auch eigentlich immer geschrieben – meistens kleine Texte für Zeitungen und Magazine. Irgendwann habe ich dann bei der Literaturagentur meines Mannes nebenbei erzählt, dass ich für die Brigitte geschrieben habe, und die meinten, ich soll ihnen mal meine Kurzgeschichten geben. Der Agent hat eine rausgesucht und gesagt: „Mach doch daraus mal einen Roman!“, also habe ich daraus einen Roman gemacht.
Also ging das tatsächlich von der Agentur aus? Es besteht ja der weitverbreitete Glaube, dass man sich als AutorIn händeringend an alle möglichen Verlage oder Agenturen wendet, weil man unbedingt jemanden finden möchte, der einem eine Chance gibt, und, dass die Wahrscheinlichkeiten, diese Chance zu erhalten, eher gering sind.
Ja, bei mir war das die Agentur. Man kann ohne heutzutage eigentlich keinen Verlag finden. Natürlich kann man es mit Selfpublishing versuchen, aber an Verlage kommt man nur mit Agentur. Und wenn man beispielsweise mit Zeitungsartikeln anfängt, mit Magazinbeiträgen und Feuilleton-Texten und so, kann man sich ja auch schon langsam hocharbeiten und muss nicht gleich als Allererstes den großen Roman abgeben.
Dein erster Roman ist „Sommerdreieck“, der 2015 erschienen ist. War das tatsächlich der Roman, der aus dieser Kurzgeschichte entstanden ist?
Ja, das war der.
Du hast bis jetzt drei Romane veröffentlicht, richtig? Und dann noch einen Bildband?
Drei Romane, einen Bildband und auch viel in Zeitungen. Ich schreibe ja jeden Monat für das Magazin und habe auch ganz viel in anderen Zeitungen veröffentlicht, so Feuilleton-Texte und Kurzgeschichten. Außerdem habe ich eine Lesebühne, wo ich jeden Monat drei neue Kurzgeschichten schreibe.
Kommt es mitunter auch vor, dass du einen Text schreibst – egal, ob Roman, Kurzgeschichte oder etwas anderes –, der es dann letztendlich nicht in die Veröffentlichung schafft?
Ja, ganz viele. Kurzgeschichten vor allem, Romane weniger. An Romanen kann man ja so lange arbeiten, bis sie funktionieren, bei Kurzgeschichten ist das nicht der Fall, wenn man sie regelmäßig abgeben muss.
Was uns aufgefallen ist: deine Romane sind bei verschiedenen Verlagen erschienen. Das war einmal der Rowohlt Verlag für das „Sommerdreieck“, der Eichborn Verlag für „Die Gewitterschwimmerin“ und der Kehrer Verlag für deinen Bildband „Sieben Jahre Luxus“. Spielt es für dich eine große Rolle, wo deine Texte unterkommen?
Das macht alles die Agentur, ich habe damit wenig zu tun. Bei meinem ersten Roman ist mein Agent mit dem Manuskript zur Messe gefahren und hat es den Verlagen, die ihm passend erschienen, angeboten. Davon haben drei Interesse gezeigt, und von denen haben wir uns gemeinsam für Rowohlt entschieden.
Also liegt die größte Entscheidungsgewalt bei dem/der jeweiligen Agenten/Agentin?
Genau, der macht die Termine mit den VerlegernInnen, trifft sich mit jedem Verlag und erzählt etwas über das Buch und den/die AutorIn, und wie man Letztere vermarkten kann. Das ist schließlich auch ein wichtiger Aspekt.
Wo du das gerade ansprichst: In unserem Studiengang fällt hin und wieder der Begriff „Autorenmarke“. Durch den immer größer werdenden Buchmarkt und das schiere Überangebot versuchen viele Verlage, neben dem Buch selbst auch den Autor oder die Autorin zu vermarkten, der/die das Buch geschrieben hat. Hast du etwas in der Art erlebt?
Ja, auf jeden Fall. Eine Rowohlt-Lektorin, mit der ich mich vor der Veröffentlichung meines Romans unterhalten habe, hat wirklich getestet, ob ich irgendeinen Unterhaltsamkeitswert habe. Das hat sie zwar nicht ausgesprochen, aber man hat schon gemerkt, dass eben nicht nur das Buch wichtig ist, sondern auch der Autor.
Eine andere Frage: Was uns von „Verlage der Zukunft“ ebenfalls interessiert, ist der wachsende Umgang mit digitalen Medien in der Verlagswelt. Die drei Romane von dir sind alle in digitaler Form verfügbar, die „Glasschwestern“ zudem als Hardcover und das „Sommerdreieck“ sogar als Hard- und Softcover. Hast du einen Einfluss darauf?
Das wird alles im Vertrag festgelegt. Bei Rowohlt war beispielsweise von Anfang an klar, dass ein Taschenbuch gedruckt wird, bei dem nächsten Roman sah das wieder anders aus. Aber als E-Book wird das Buch in der Regel immer angeboten, das ist mittlerweile selbstverständlich, glaube ich.
Bist du denn eine E-Book-Nutzerin oder bevorzugst du Printbücher?
Ich habe noch nie ein E-Book gelesen! [lacht] Ich lese oft Leseproben online, aber wenn ich ein Buch wirklich haben will, kaufe ich immer das ausgedruckte Buch. Ein E-Book zu kaufen, kommt in meinem Denken irgendwie gar nicht vor. Vielleicht bin ich dafür zu alt.
Wie lange hast du für deine Romane gebraucht?
An der „Gewitterschwimmerin“ habe ich sieben Jahre gearbeitet, an dem „Sommerdreieck“ und den „Glasschwestern“ jeweils zwei.
Wie entscheidest du dich für ein neues Projekt und wie arbeitest du dann?
Geschichten und die Ideen habe ich meist viel zu viele, so viele Romane kann man gar nicht schreiben. Ich muss mich wirklich wehren und nur die auswählen, denen ich mich näher widmen will. Ich schreibe auch eigentlich immer. Ich kann ja die Geschichte nie aus meinem Kopf kriegen, die Figuren sind immer alle da und jedes Mal, wenn ich eine Idee habe, mache ich mir eine Notiz in meinem Handy.
Ist für dich momentan das Schreiben wichtiger oder das Fotografieren?
Die Fotografie musste ich ein bisschen ablegen, beides gleichzeitig hat nicht funktioniert. Ich habe halt irgendwann gemerkt: Ich kann mit Literatur viel mehr aussagen als mit einem Bild. Ich fotografiere zwar noch und mache ein paar Aufträge, aber es ist etwas untergegangen. Ansonsten habe ich mir vorgenommen, dass meine Familie mir immer wichtiger sein wird als das Schreiben. Deshalb nehme ich mir die Zeit zum Schreiben auch nur dann, wenn meine Familie diese Zeit nicht braucht.
Die letzten drei Fragen: Hast du eine/n LieblingsautorIn oder jemanden, von dem du gerade viel liest?
Meine Lieblingsautorin ist Anna Seghers. Ich glaube, „Transit“ ist für mich das beste Buch von ihr. Wen ich im Augenblick besonders mag ist Daniel Kehlmann, von ihm hat mir „Tyll“ total gefallen. Ich lese eigentlich nur noch Bücher, die eine schöne Sprache haben. Zumindest bei deutschen Büchern, da will ich die Sprache genießen, etwas über die Sprache und Formulierungen lernen.
Und liest du lieber Romane oder lieber Kurzgeschichten?
Ich finde, dass es zu wenige Kurzgeschichten-Sammelbände auf dem Markt gibt. In Amerika ist das viel üblicher, dass man solche Short Stories als Bände herausgibt. In Deutschland wollen die Verlage immer nur Romane. Das finde ich schade, ich würde total gerne mehr Kurzgeschichten lesen. Dafür gibt es in Deutschland diese Lesebühnenkultur, die ist nirgendwo so groß wie hier.
Denkst du, die Corona-Pandemie wird einen Einfluss auf die Literaturwelt haben?
Also, der Roman, an dem ich jetzt schreibe, hat noch kein Corona. [lacht] Das finde ich auch ganz schön, das ist wie eine Parallelwelt, in die man abtauchen kann, wo nach wie vor alles in Ordnung ist. Ansonsten vergleiche ich das ganz gerne mit der Wende damals: Als ich fünfzehn war, haben viele Tagebuch geschrieben und die aktuelle Lage verarbeitet und sich vorgestellt, wie das jetzt weitergeht in einem völlig anderen Land… Und wenn man diese Tagebücher zehn Jahre später gelesen hat, stellte sich heraus, dass wir schon total viel wussten, aber in den folgenden Jahren ignoriert oder wieder vergessen haben.
Deshalb glaube ich, dass man genau jetzt über das schreiben sollte, was gerade passiert. Ich habe den Eindruck, dass alle so ein bisschen warten, bis sie die Lage richtig beurteilen können. Man traut sich nicht, eine Meinung zu haben, weil man denkt: „Vielleicht ist das in der nächsten Woche wieder falsch“. Und ich glaube, dass das ein Fehler ist: Eigentlich müssten wir alle jetzt das aufschreiben, was wir empfinden, weil wir das später nicht mehr nachvollziehen können. Eins ist ja sicher: Die Gesellschaft wird das Bedürfnis haben, die Pandemie zu verarbeiten – und das eben auch in Büchern. Die Menschen haben einfach das Bedürfnis, das Erlebte zu reflektieren. Deshalb sollte man genau jetzt solche Geschichten schreiben. Und sei es nur, um die Situation einfach mit aufzunehmen.
Vielen Dank für das Interview!
Autorin: Sophia Spahr
Bildquelle: https://pixabay.com/de/photos/station-see-sonnenuntergang-1365387/
Hier geht’s zur Leseprobe von „Die Gewitterschwimmerin“.
Cover und Leseprobe von „Die Gewitterschwimmerin“ wurden zur Verfügung gestellt von Random House.