Der Aktionstag Urheberrecht am 13. September 2012
Am 13. September öffneten zwölf Verlage, unter anderen Cornelsen, De Gruyter, der Mitteldeutsche Verlag und nicht zu vergessen der Initiator Verlag Eugen Ulmer, ihre Pforten für Neugierige und Diskussionsfreudige. Herein kamen Journalisten, Bibliothekare, Urheberrechtskritiker und Vertreter der Parteien, um sich anzuschauen was diese Verlage eigentlich den lieben langen Tag so machen. Vielleicht auch, um festzustellen, ob man sie tatsächlich noch braucht? Die teilnehmenden Verlage tischten jedenfalls ein ordentliches Programm auf. Da konnte man nicht nur in den Verlagsräumen spionieren, sondern auch den Verlagsmitarbeitern live bei der Arbeit über die Schultern schauen, Fragen stellen und vor allem miteinander über das gute alte Urheberrecht diskutieren! Ein Resümee zum Aktionstag zu ziehen, gestaltet sich jedoch als schwierig.
Eine (nicht repräsentative) Kurzumfrage im Vorfeld auf buchreport.de (Link) ergab, dass zwei Drittel der Befragten die verkündete Dialogbereitschaft der Veranstalter als geheuchelt empfanden. Eine Begründung dazu blieb jedoch aus. Was überraschte, war die geringe Zahl der teilnehmenden Verlage, die auch von einigen Seiten bemängelt wurde. Anscheinend war die Aktion zu kurzfristig (sechs Wochen vorher) angekündigt worden. Aber nicht nur die Anzahl der Verlage stößt bitter auf, auch die Gäste kamen nicht so zahlreich wie man sich erhofft hatte. De Gruyter hatte auf 50 Einladungen nur drei Anmeldungen erhalten, ähnlich war die Resonanz bei Cornelsen, trotz 300 verschickter Einladungen. Torsten Casimir zieht im aktuellen Börsenblatt (38/2012) daher eine recht bittere Bilanz: „Der Aufwand der Politik, sich eine Meinung zu bilden, bleibt unerfreulich gering.“
Aber nicht alle beteiligten Verlage wurden so enttäuscht wie Cornelsen und De Gruyter. Zumindest Alfred Klemm (Alfred Kröner Verlag) und Matthias Ulmer (Eugen Ulmer Verlag) scheinen einen schönen Tag gehabt zu haben (Link). Die Piraten wollen das Urheberrecht doch nicht über die Planke schicken und Gegeneinladungen wurden auch ausgesprochen. Offensichtlich hat man sich hier prächtig verstanden und noch dazu viel über die jeweils andere Seite gelernt. Klingt doch idyllisch.
Ebenfalls in der aktuellen Börsenblatt-Ausgabe (38/2012) findet sich ein Vermerk zum ‚Zukunftsforum Urheberrecht’ der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger vom 19. September, welchem der Börsenverein (und weitere geladene Verbände der Kreativwirtschaft) den Stempel ‚Alibiveranstaltung’ aufdrückte und fernblieb (Link). Eben diese Meinung hatten jedoch einige auch vom Aktionstag Urheberrecht.
Einige Stimmen zur Aktion:
Man fragt sich, warum so wenige Urheberrechtsgegner die Gelegenheit wahrnahmen ihre mangelnden Kenntnisse der Verlagsarbeit zu verbessern. „Zum einen gibt es davon nicht allzu viele, die man ernst nehmen müsste, zum anderen gibt es sehr wohl viele, die sich gut auskennen und gerade deshalb daran zweifeln, dass das bestehende Urheberrecht eine Welt mit Digitalisierung und Internet angemessen reguliert.“, urteilte Matthias Spielkamp von iRights.info (Link).
Andere machen jedoch die Erfahrung, dass Unkenntnis sehr wohl ein Problem darstellt – und zwar auf beiden Seiten. Dazu immer wieder interessant finde ich die Beiträge von Enno Lenze. Zwei Seelen wohnen, ach! in seiner Brust. Als Verleger und Mitglied der Piratenpartei ist er für viele ein Widerspruch in sich. Vielleicht ist er aber auch einer der wenigen, die sich hoch emotionaler Aussagen enthalten können, weil sie kein Feindbild aufbauen müssen: „Die ‚Content-Mafia’ meint, dass illegale Downloads entstehen, weil Leute für die Werke nicht zahlen wollen und bösartig sind, die ‚Raubkopierer’ meinen, dass Verwerter eh nichts tun und damit Geld verdienen. Der Mythos, die Piratenpartei wolle das Urheberrecht abschaffen stirbt auch nicht aus. Ich stelle beide Weltbilder fast täglich richtig. Und ernte viel Verständnis auf der jeweils anderen Seite.“ (Link) Eigentlich sollte es schwer fallen, sich ohne die wichtigsten Fakten überhaupt eine Meinung zu bilden. Beim Thema Urheberrecht hat zwar jeder eine Meinung – aber kaum einer glänzt mit Fakten.
Einer der bissigsten Kommentare stammt von Wolfgang Tischer (literaturcafe.de): „Ich hätte selbst gerne am 13. September vorbeigeschaut, aber leider habe ich an diesem Tag bereits mit einer jungen Autorengruppe einen Ausflug ins Naturhistorische Museum geplant, um die gewaltigen Skelette der Dinosaurier anzusehen. Für mich ist es unvorstellbar, wie diese großen Tiere aussterben konnten. Ich wollte dazu in meiner Buchhandlung einen Brockhaus bestellen, um den Eintrag über diese Urzeittiere nachzulesen, aber als ich dort war, gab es die Buchhandlung nicht mehr. Und gerade erreicht mich aus zuverlässiger Quelle die Nachricht, dass es offenbar auch den Brockhaus nicht mehr gibt. Ich muss also erst mal in der Wikipedia nachschauen, was da passiert ist.“ (Link)
Mein Fazit: Es war eine schöne Idee, die es den Veranstaltern zumindest ermöglichen wird, später zu sagen: „Wir haben es ja versucht!“. Eine Wiederholung wurde bereits angekündigt. Und schaden kann eine solche jawohl nicht. Das nächste Mal wäre jedoch eine längere Planungsphase wünschenswert. Vielleicht gibt es ja auch Politiker, die sechs Wochen im Voraus bereits ausgebucht sind? Ich jedenfalls habe einen Traum, (und man verzeihe mir bitte das Pathos dieser Aussage) von einer Novellierung des Urheberrechts, die auf einem konstruktiven Dialog aller Interessengruppen beruht und bei der sich am Ende alle Parteien berücksichtigt finden.
Leider schrieb ich diesen letzten Satz hauptsächlich, um diese Urheberrechtsreihe initiiert von Rowohlt und Verlage der Zukunft, zu einem optimistischen Ende zu bringen. Im Namen aller Beteiligten möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich Esther Kohlschmid danken, die für die Reihe verantwortlich zeichnete und mit sehr viel Herzblut und Engagement zum Erfolg führte.
Lena Augustin